Wer schon einmal öffentliche Verkehrsmittel in Berlin genutzt hat, weiß, welche Zumutungen dies mit sich bringt. Nicht selten stieren Sitznachbarn gierig auf den Döner, den man deshalb hastig verschlingen muss. Ständig lebt man in der Furcht, jemand könnte einem mit spitzen Fingern ein Zwiebelstück aus dem Fladenbrot stibitzen oder lautstark den Sitz für sich beanspruchen, auf dem man nach einem harten Arbeitstag seine Füße abgelegt hat.

Aber auch die technische Konzeption der Züge ist ein Ärgernis. Zugegeben, die neueren S-Bahnen überzeugen mit hochfrequenten Piepsgeräuschen beim Schließen der Türen, was dazu einlädt, sich sanft in den Wahnsinn treiben zu lassen. Aber auch sie können über die ordinäre Grundidee von Zügen nicht hinwegtäuschen: Metallräder auf Schienen. Noch primitiver wäre es wohl nur, ließe man sich von einem humpelnden Esel von A nach B schleifen.

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Deshalb war es ein erster richtiger Schritt, dass der Berliner Senat aus CDU und SPD den Bau einer Magnetschwebebahn-Teststrecke angekündigt hat. Nun gibt es wieder einen Hoffnungsschimmer auf etwas würdevolleres Reisen durch Berlin in einer nicht allzu fernen Zukunft.

Vielleicht jahrzehntelang werden nun alle Berlinerinnen und Berliner die Chance erhalten, ihren Besuchern aus der Provinz den Verlauf der Teststrecke zu erklären. Touristenführer werden vor den gigantischen Infotafeln halt machen, die vom Bau der Sensation künden. Glücklich werden jene Besucher sein, die die seltenen Momente fotografisch festhalten können, in denen die Plakatierer der Außenwerbungsunternehmen die Tafeln erklimmen, um den Fertigstellungstermin zu aktualisieren.

Die Aussicht auf den Bau von monströsen Betonstelen, die die Stadt endlich wieder in zwei Hälften teilen, wird die ganze Welt elektrisieren. Die neue Imagekampagne »Arm, aber Magnetschwebebahn« wird dazu beitragen, dass Berlin wieder zum Sehnsuchtsort visionärer Menschen wird. Man wird Synergieeffekte mit allem Pipapo nutzen und genießen können. Und aus tief empfundener Dankbarkeit werden große Teile der Stadtgesellschaft Blumen- und Pralinenspenden ins Büro der Verkehrssenatorin Manja Schreiner tragen.

Aber kann sich eine Weltstadt auf diesen Erfolgsaussichten ausruhen? Selbstverständlich nicht, denn die schönste Magnetschwebebahn ändert nichts daran, dass sogar die CDU die wichtigste und zukunftsfähigste Transporttechnologie seit Jahrzehnten ignoriert. Die Rede ist selbstverständlich von der Teleportation, deren Förderung seit langer Zeit sträflich vernachlässigt wird.

Dabei sind Teleporter selbst der besten Magnetschwebebahn um ein Vielfaches überlegen. Man stelle sich nur vor, man verlässt gegen fünf Uhr morgens nach dem Genuss einiger exquisiter Kaltgetränke ein Etablissement wie das »Zum Magendoktor« am S-Bahnhof Wedding, geht über die Straße zur Teleportationskabine, scannt sein Deutschlandticket und wird direkt ins eigene Bett teleportiert.

Das ist doch eine großartige Vorstellung! Warum kann man nicht Siemens beauftragen, wenigstens eine Testkabine zu errichten? Zum Beispiel am Potsdamer Platz. Dann würde es mal einen Grund geben, diesen Ort zu besuchen.

Zugegeben, es bleiben Zweifel, ob das fehlerfrei funktionieren kann. Aber die gibt es bei der Magnetschwebebahn auch. Wenn man immer nur auf die Bedenkenträger hört, verspielt man die deutsche Innovationskraft mit allen schwerwiegenden Folgen für unseren Wirtschaftsstandort. Deshalb: Beam me up, Manja!

QOSHE - Verkehr in Berlin: Beam me up, Manja! - Andreas Koristka
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Verkehr in Berlin: Beam me up, Manja!

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01.12.2023

Wer schon einmal öffentliche Verkehrsmittel in Berlin genutzt hat, weiß, welche Zumutungen dies mit sich bringt. Nicht selten stieren Sitznachbarn gierig auf den Döner, den man deshalb hastig verschlingen muss. Ständig lebt man in der Furcht, jemand könnte einem mit spitzen Fingern ein Zwiebelstück aus dem Fladenbrot stibitzen oder lautstark den Sitz für sich beanspruchen, auf dem man nach einem harten Arbeitstag seine Füße abgelegt hat.

Aber auch die technische Konzeption der Züge ist ein Ärgernis. Zugegeben, die neueren S-Bahnen überzeugen mit hochfrequenten Piepsgeräuschen beim Schließen der Türen, was dazu einlädt, sich sanft in den Wahnsinn treiben zu lassen. Aber auch sie können über die ordinäre Grundidee von Zügen nicht hinwegtäuschen: Metallräder auf Schienen. Noch primitiver wäre es wohl nur, ließe man sich von einem humpelnden Esel von A nach B schleifen.

Andreas........

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