Die allermeisten Vorsätze gehen wenige Tage nach dem Jahreswechsel vergessen. Weil sie meistens unrealistisch sind.

Ich will weniger trinken, abnehmen, raus aus den sozialen Medien, loskommen vom Nikotin etc. etc. Der Jahreswechsel macht das Fassen solcher Ziele einfach möglich. Ist man allerdings im neuen Jahr angekommen, sind diese rasch Makulatur. Von der Realität überholt, sozusagen.

Nichts geht so schnell vergessen wie der gute Vorsatz. Warum? Weil dieser in der Regel unrealistisch ist. Beispielsweise, wenn der 165 Zentimeter hohe 100-Kilo-Mann sich zum Ziel setzt, bis März 30 Kilo zu verlieren. Oder die junge Frau, die ihre Freunde real und nicht mehr nur über Snapchat oder Tiktok treffen will. Oder der starke Raucher, der zum gefühlt 1000. Mal versucht, damit aufzuhören, von heute auf morgen.

Wir sind doch alle nur Menschen – mit unseren individuellen Stärken und Schwächen. Das macht das Leben ja gerade spannend. Stellen Sie sich vor, wir würden alle der Norm entsprechen, wären gleich gepolt. Wie langweilig. Nichts, worüber man sich aufregen könnte. Aber auch nichts, was einen erfreute. Nichts, woran man persönlich arbeiten könnte.

Um an sich zu arbeiten, braucht es keine Vorsätze. Nur die Erkenntnis, dass persönlich noch Raum zur Entwicklung ist. Diese Luft nach oben, die gibt es bei jeder und jedem. Man muss lediglich anerkennen, dass es so ist. Dabei jedoch realistisch bleiben.

«Ändere, was Du ändern kannst. Was Du nicht ändern kannst, das akzeptiere», sagten die Philosophen der jüngeren Stoa, Seneca, Marcus Aurelius oder Epiktetos. Das mag, zugegeben, wenig ambitioniert klingen. Ist es allerdings nicht.

Nur schon zu erkennen, was änderbar ist und dabei realistisch zu bleiben, ist herausfordernd. Und zu akzeptieren, dass es gewisse Dinge (und ja auch Menschen) gibt, die man nicht ändern kann, ist noch viel schwerer.

Deshalb: Vorsätze zu fassen, ist in Ordnung. Solange sie realistisch und auf einen selber bezogen sind. Alle anderen? Fassen Sie diese gar nicht erst. Ich kann es dennoch nicht lassen und habe einen gefasst – seit Jahren denselben: Menschen ärgern dich nicht. Es geht von Jahr zu Jahr besser. Prost!

QOSHE - Vorsätze für 2024? Bleiben Sie realistisch - Harry Ziegler
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Vorsätze für 2024? Bleiben Sie realistisch

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30.12.2023

Die allermeisten Vorsätze gehen wenige Tage nach dem Jahreswechsel vergessen. Weil sie meistens unrealistisch sind.

Ich will weniger trinken, abnehmen, raus aus den sozialen Medien, loskommen vom Nikotin etc. etc. Der Jahreswechsel macht das Fassen solcher Ziele einfach möglich. Ist man allerdings im neuen Jahr angekommen, sind diese rasch Makulatur. Von der Realität überholt, sozusagen.

Nichts geht so schnell vergessen wie der gute Vorsatz. Warum? Weil dieser in der Regel unrealistisch ist. Beispielsweise, wenn der 165 Zentimeter........

© Luzerner Zeitung


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