Ein Bundesgerichtsentscheid in Horw hat weitreichende Konsequenzen. Der Autor ordnet ein und hat einen Vorschlag.

Die Planung des Sonnhalde-Parks in Kastanienbaum, Horw, ist eine Never-ending-Story. Ende Oktober ist neuerlich ein Entscheid des Bundesgerichtes publik geworden (Artikel in der Luzerner Zeitung vom 30. 10. 2023). Ich will hier nicht auf die Auseinandersetzung um dieses Projekt eingehen – es handelt sich um eine typische und für die breite Öffentlichkeit eigentlich uninteressante Streitigkeit im Umfeld von Nachbarn und Projektentwicklern. Was aber in Fachkreisen für Resonanz gesorgt hat, sind die vom Bundesgericht angeführten Begründungen.

Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde deshalb nicht eingetreten, weil die Baubewilligung aus seiner Sicht noch nicht rechtskräftig ist. Tatsache ist: Die Gemeinde Horw hatte die Baubewilligung mit der Auflage erteilt, dass gewisse Unterlagen noch überarbeitet werden müssen. Für das Bundesgericht handelt es sich deshalb lediglich um einen Zwischenentscheid. Die nachzureichenden Unterlagen sind der Energienachweis, die definitive Kanalisationsplanung und eine detaillierte Umgebungsplanung inklusive Pflanzliste.

Der betroffene Planer allerdings weist darauf hin, dass es gängige Praxis sei, die Bewilligung zu erteilen mit der Auflage, Unterlagen nachzureichen. Das ist tatsächlich so, mindestens sofern die Aspekte konzeptionell nachvollziehbar in den Baubewilligungsunterlagen enthalten sind. Dieses Vorgehen hat sich als gängige Praxis etabliert, weil sich ein Bauprojekt kontinuierlich weiterentwickelt, im Sinne der Verfeinerung, aber auch der Optimierung. Dabei ist es nachvollziehbar, dass gewisse Entscheide nicht von Anfang an getroffen werden können, sondern erst dann, wenn der Entwicklungsstand eines Projektes tatsächlich verlässliche Entscheide zulässt. Am deutlichsten wird dies bei der konstruktiven Durcharbeitung eines Bauprojektes.

In den frühen Entwicklungsschritten wird bei einer seriösen Projektbearbeitung meist bereits konzeptionell festgelegt, welche Bauweise zur Anwendung kommen soll. So zum Beispiel, ob Holz- oder Massivbau gewählt wird, welche Spannweiten die tragenden Bauteile haben oder wie stark die Aussenwände sein werden. Zu diesem Zeitpunkt fehlen allerdings noch alle konstruktiven Details, welche die Gestaltung eines Bauwerkes massgebend beeinflussen. All dies wird kontinuierlich weiterentwickelt und erst über die Zeit verfeinert.

Würde man nun die Begründungen unserer obersten Richter in voller Konsequenz in der Praxis anwenden, dann hätte das wohl eine radikale Veränderung der Arbeitsweise in der Baubranche zur Folge: Oft steht bei der Baueingabe noch nicht fest, welche Unternehmen mit der Umsetzung betraut werden. Eine ganze Reihe gestalterisch relevanter Details sind jedoch massgebend vom ausgewählten Unternehmer abhängig. Der Logik des Bundesgerichts zufolge müsste dieses Vorgehen umgekehrt werden.

Unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit scheint mir die Logik der Bundesrichter durchaus nachvollziehbar. Doch tut sich hier eine Diskrepanz auf zwischen diesem Grundsatz und der Funktionsweise der Planungs- und Baubranche, die sich seit jeher an einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess orientiert. Interessanterweise wird dies bei der Diskussion um die Verkürzung der Baubewilligungsverfahren, die auf der politischen Bühne zum Dauerbrenner geworden ist, kaum einfliessen. Da wird dann vielmehr, weil damit wohl eher Stimmen zu gewinnen sind, auf die Lust an immer umfangreicheren Einsprachen, oft gar durch juristische Laien, hingewiesen oder aber auf eine scheinbare Fundamentalopposition von Schutzverbänden, die sich der Realität zu verweigern scheinen.

Aus meiner Sicht wäre es aber deutlich dringender, diesen Widerspruch zwischen dem juristischen Denkmodell und den Abläufen im Planungs- und Bauwesen grundlegend auszudiskutieren. Es ist kein Zufall, dass gerade aktuell der Untertitel einer Raumplanungs-Tagung «Abwägung als Königsdisziplin» lautet. «Abwägen» heisst eben nicht «richten» und führt kaum zu einer eineindeutigen Lösung. Das Gewichten geschieht noch zu oft mit wenig System, und die Verbindlichkeit innerhalb der Rechtssprechung scheint noch nicht gegeben.

Dies wiederum bedeutet, dass nicht mit letzter Gewissheit bis zur Baueingabe festgelegt werden kann, wie ein Gebäude und seine Umgebung nach Fertigstellung aussehen werden. Gelingen könnte dies nur durch die Sicherung der einzufordernden Qualitätsansprüche bis zur Fertigstellung durch entsprechende Fachkompetenz. Nur so könnte der Handlungsspielraum geschaffen werden, der dem architektonischen Werdensprozess entsprechen würde, ohne zu einer nochmaligen Verzögerung im Baubewilligungsprozess zu führen.

*Dieter Geissbühler, Hochschule Luzern, Co-Leiter CAS Baukultur

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Lieber abwägen statt richten – das würde beim Bauen allen zugutekommen

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22.11.2023

Ein Bundesgerichtsentscheid in Horw hat weitreichende Konsequenzen. Der Autor ordnet ein und hat einen Vorschlag.

Die Planung des Sonnhalde-Parks in Kastanienbaum, Horw, ist eine Never-ending-Story. Ende Oktober ist neuerlich ein Entscheid des Bundesgerichtes publik geworden (Artikel in der Luzerner Zeitung vom 30. 10. 2023). Ich will hier nicht auf die Auseinandersetzung um dieses Projekt eingehen – es handelt sich um eine typische und für die breite Öffentlichkeit eigentlich uninteressante Streitigkeit im Umfeld von Nachbarn und Projektentwicklern. Was aber in Fachkreisen für Resonanz gesorgt hat, sind die vom Bundesgericht angeführten Begründungen.

Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde deshalb nicht eingetreten, weil die Baubewilligung aus seiner Sicht noch nicht rechtskräftig ist. Tatsache ist: Die Gemeinde Horw hatte die Baubewilligung mit der Auflage erteilt, dass gewisse Unterlagen noch überarbeitet werden müssen. Für das Bundesgericht handelt es sich deshalb lediglich um einen Zwischenentscheid. Die nachzureichenden Unterlagen sind der Energienachweis, die definitive Kanalisationsplanung und eine detaillierte Umgebungsplanung inklusive Pflanzliste.

Der betroffene Planer........

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