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Empörung über Tötung von Hamas-Führer Al-Aruri: Demonstration mit Fahnen der Organisation im besetzten Hebron (3.1.2024)

Ein Gegenschlag der Hisbollah muss nicht gezwungenermaßen heute oder morgen erfolgen. Aber es besteht kein Zweifel, dass es ihn geben wird. Denn auf die gezielte Tötung der Nummer zwei der Hamas mitten im Machtzentrum der »Partei Gottes« nicht zu reagieren, würde einen vielleicht irreparablen Gesichtsverlust bedeuten. Das war der israelischen Regierung klar, als sie den Angriff befehligte. Sie hat eine gefährliche Eskalation mit ihrem stärksten Gegner an der Nordgrenze also sehenden Auges in Kauf genommen.

Man werde »dieses Verbrechen« nicht ungestraft lassen, erklärte die Hisbollah prompt. Der Angriff stelle einen schweren Verstoß gegen die Einsatzregeln dar, die seit dem von Israel verlorenen Krieg von 2006 gelten. Seit Jahren mahnt die für den Iran wichtigste bewaffnete Kraft in der Region, jeder israelische Angriff in Beirut werde einen Gegenschlag auf Tel Aviv nach sich ziehen. Noch im August hat ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah ausdrücklich vor einer Durchführung von Attentaten im Libanon gewarnt.

Nicht umsonst sprach Irans Verteidigungsminister Mohammed Reza Aschtiani am Mittwoch von einer »Störung des Gleichgewichts«, für das in seinen Augen in erster Linie die USA verantwortlich zeichnen. Dabei unterstützt Washington zwar die seit Anfang Oktober andauernden Angriffe auf den Gazastreifen mit inzwischen mehr als 22.000 Toten trotz vorsichtiger Kritik politisch, mit Waffenlieferungen und wahrscheinlich auch militärisch und hatte auf den getöteten Saleh Al-Aruri ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen US-Dollar ausgesetzt. Eine regionale Eskalation aber versucht die Biden-Regierung mit allen erdenklichen Mitteln zu verhindern und wirkt dabei wie eine Getriebene. Sie bekniet Tel Aviv, sich in Zurückhaltung zu üben, und wird nun möglicherweise selbst militärisch gegen die jemenitischen Ansarollah vorgehen, eine gefährliche Eskalation mit dem Iran inklusive – nur um zu verhindern, dass Israel dies wie angedroht selbst tut.

Denn in Washington weiß man, dass schon die im Gazastreifen gesteckten Ziele nicht erreichbar sind. Auch israelische Militärs und Geheimdienstler warnen dringend vor einer Eskalation an weiteren Fronten. Allen voran der Generalmajor der Reserve Jitzhak Brick, der der Radwan-Eliteeinheit der Hisbollah bescheinigt, die Existenz Israels gefährden zu können. Die völlig ideologisierten und realitätsfernen Koalitionspartner Netanjahus einzufangen, ist aber offenbar niemand in der Lage. Da kann der französische Präsident noch so oft dazu aufrufen, »eskalierendes Verhalten zu vermeiden«. Während das israelische Militär nicht nur im Libanon, sondern auch in Syrien regelmäßig bombardiert und laut Verteidigungsminister Galant sogar im Irak und im Jemen bereits »Vergeltung« geübt hat, wird die Frage, »ob« der regionale Krieg unkontrollierbar eskaliert, zunehmend zur Frage nach dem »Wann«.

QOSHE - Vom Ob zum Wann - Wiebke Diehl
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Vom Ob zum Wann

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03.01.2024

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Empörung über Tötung von Hamas-Führer Al-Aruri: Demonstration mit Fahnen der Organisation im besetzten Hebron (3.1.2024)

Ein Gegenschlag der Hisbollah muss nicht gezwungenermaßen heute oder morgen erfolgen. Aber es besteht kein Zweifel, dass es ihn geben wird. Denn auf die gezielte Tötung der Nummer zwei der Hamas mitten im Machtzentrum der »Partei Gottes« nicht zu reagieren, würde einen vielleicht irreparablen Gesichtsverlust bedeuten. Das war der israelischen Regierung klar, als sie den Angriff befehligte. Sie hat eine gefährliche Eskalation mit ihrem stärksten Gegner an der Nordgrenze also sehenden Auges in Kauf genommen.

Man werde »dieses Verbrechen« nicht ungestraft lassen, erklärte die Hisbollah........

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