ALEKSANDRA SZMIGIEL/Reuters

Ist sich auch für mehrfache Begnadigungen nicht zu schade: Polens Präsident Duda im Warschauer Sejm (11.12.2023)

In einer polnischen Kinokomödie aus den Sechzigern kommt einem Theaterbesucher während der Vorstellung der Mantel abhanden. Als er sich beschwert, antwortet der Garderobier: »Sie können uns gar nichts.« Die Replik ist zum Sprichwort geworden und drängte sich auch auf, als man am Dienstag die Erklärung von Andrzej Duda zur neuerlichen Begnadigung seiner Parteifreunde Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik ansah. Eine Mischung aus Tränendrüse und aufgeblasener Selbstdarstellung mit im Duce-Stil vorgeschobenem Unterkiefer, wie typisch für Duda. Der Gipfel war, dass er Kamiński und Wąsik die »Aufdeckung« der sogenannten Grundstücksaffäre als Verdienst anrechnete – sie hatten die Affäre nach dem Urteil zweier ­Instanzen erfunden. Entsprechend dem Niveau politischer Auseinandersetzungen in Polen.

Aber es geht dabei nicht in erster Linie um Kamiński und Wąsik. Indem Duda und der Rest der »Vereinigten Rechten« sie »verteidigten wie die Unabhängigkeit«, demonstrieren sie der neuen Regierung von Donald Tusk ihre Blockademacht. Verkörpert in der politischen Kontrolle der Prawo i Sprawiedliwość (PiS) über Präsidialamt und Verfassungsgericht. Die Blockade soll bis Mitte 2025 andauern, wenn Dudas zweite Amtszeit endet und sich auf seiten der Liberalen in der ersten Runde zwei Interessenten für das höchste Staatsamt gegenseitig Konkurrenz machen werden: Sejm-Präsident Szymon Hołownia und der Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski. Ein Selbstläufer wird das nicht. Richterposten am Verfassungsgericht sind erst 2026 neu zu besetzen, ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen.

Für die Zwischenzeit muss sich die Regierungskoalition überlegen, wie sie diese doppelte Blockade umgehen kann. Dauerhaft mit Sejm-Beschlüssen und Verordnungen zu regieren kann wohl keine Lösung sein. Zumal selbst Regierungsvertreter zugeben, dass sie zu »rechtlichen Tricks« gegriffen haben, um zum Beispiel staatliche Medien der PiS-Kontrolle zu entziehen. Mit der Konsequenz, dass das Warschauer Handelsregistergericht die Veränderungen in den Vorständen von Fernsehen, Radio und Presseagentur nicht eingetragen hat und sie deshalb nicht wirksam sind. Die PiS verteidigt ihren in acht Jahren aufgebauten Besitzstand in den Institutionen mit Zähnen und Klauen. Geht die Koalition aber mit ihrer Vorgängerin faule Kompromisse ein, droht die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit verlorenzugehen. Wer am 15. Oktober für sie gestimmt hat, um dem PiS-Regime ein Ende zu setzen, könnte sich abwenden.

QOSHE - Frechheit siegt - Reinhard Lauterbach
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Frechheit siegt

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24.01.2024

ALEKSANDRA SZMIGIEL/Reuters

Ist sich auch für mehrfache Begnadigungen nicht zu schade: Polens Präsident Duda im Warschauer Sejm (11.12.2023)

In einer polnischen Kinokomödie aus den Sechzigern kommt einem Theaterbesucher während der Vorstellung der Mantel abhanden. Als er sich beschwert, antwortet der Garderobier: »Sie können uns gar nichts.« Die Replik ist zum Sprichwort geworden und drängte sich auch auf, als man am Dienstag die Erklärung von Andrzej Duda zur neuerlichen Begnadigung seiner Parteifreunde Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik ansah. Eine Mischung aus Tränendrüse und aufgeblasener Selbstdarstellung mit im Duce-Stil vorgeschobenem........

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