Christoph Soeder/dpa

Eine Gewerkschafterin mit Blick für industrielle Problemlagen (Berlin, 23.1.2023)

Es ist gewissermaßen periodisch, kalendarisch fixiert: zum Jahresausklang Bilanz ziehen, Vorsätze sortieren, über das Restleben sinnieren. Privat und beruflich. Die Frontfrau des DGB, Yasmin Fahimi, macht das auch – am Freitag via dpa. Mit speziellem Scharfblick samt Sachverstand. Denn die Chefin der Dachgewerkschaft sorgt sich vorzugsweise um fernstehende Klientel, will man meinen. Um Industrielle, etwa jene aus energieintensiven Sektoren. »Die Lage ist alles andere als entspannt«, weiß sie. Düsterer noch: »Wir« seien immer noch in einer Krise. Wer genau? Na, die ganze Grundstoffindustrie. Ach so. »Von der chemischen Industrie über Aluminium, Eisen, Kupfer, Stahl bis zu Zement, Papier, Glas.« Bemerkenswert, diese Hitliste; und was es hierzulande alles an dahinsiechenden Branchen gibt!

Die berechtigte Dreifachanschlussfrage lautet: Ist Rettung in Sicht? Hellt die Stimmung auf? Irgendwie, irgendwo, irgendwann? Eher nicht. Es zeichne sich nicht ab, »dass sich 2024 daran etwas ändert«, prognostiziert Fahimi kühn. Sie meint das Krisenhafte allerorts am »Standort Deutschland«.

Einen Wechsel der Optik bekommt die sozialdemokratische Exgeneralsekretärin dann doch noch hin. Für viele Menschen sei es schwerer geworden, über die Runden zu kommen. Ein Befund wie ein Klospruch. »Arbeitnehmer«, wie Fahimi sie nennt, »mussten reale Einkommensverluste hinnehmen«. Für Beschäftigte in tarifvertragsfreien Industriezonen gilt das besonders. Woran mag das wohl liegen, Frau Fahimi? Sie bleibt fraglos antwortlos. Keine Silbe zur schlappen Organisations- und Durchsetzungsmacht der DGB-Einzelgewerkschaften inklusive Überbau. Dafür Appelle an »fremde Mächte«, obligatorisch an die Rumpelkoalition. Stichwort: staatliche Energiepreisbremse. Die läuft am Neujahrstag aus; schon, nicht erst Ende März. Fahimi: »Es ist bedauerlich, dass sich die Regierung nicht auf eine Verlängerung verständigt hat.« Mal ehrlich, bedauerlich ist, moralinsauer pseudozuopponieren.

Das Dauerproblem: Vertreter aus dem DGB-Apparat üben sich als Leisetreter, bisweilen als Waschlappen. Die bestdotierten Posten für die durch Mitglieder alimentierten Funktionäre wirken wie »soziale Hängematten«. Motorisch schwierig, aus einer komfortablen Liegeposition zum listigen Aufstand überzugehen. Ad hoc sowieso nicht. Nein, das ist kein Vorwurf. Notorische Immobilität schafft halt keinen Bewegungsdrang (für die Interessen der Klasse der Abgehängten, Ausgestoßenen, Verdammten).

Puh, und dann gibt es zum Jahresausklang doch noch eine Erfolgsmeldung, auch für Fahimi. Zwei BRD-Klitschen haben den Sprung unter die Top 100 der teuersten börsennotierten Konzerne geschafft, berichtete gleichfalls dpa am Freitag. Glückwunsch, SAP, Rang 61; Glückwunsch, Siemens, Rang 88. Oder: zwei kapitale Sorgenfalten weniger für die DGB-Vorsitzende.

QOSHE - Fahimis Kapitalsorgen - Oliver Rast
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Fahimis Kapitalsorgen

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29.12.2023

Christoph Soeder/dpa

Eine Gewerkschafterin mit Blick für industrielle Problemlagen (Berlin, 23.1.2023)

Es ist gewissermaßen periodisch, kalendarisch fixiert: zum Jahresausklang Bilanz ziehen, Vorsätze sortieren, über das Restleben sinnieren. Privat und beruflich. Die Frontfrau des DGB, Yasmin Fahimi, macht das auch – am Freitag via dpa. Mit speziellem Scharfblick samt Sachverstand. Denn die Chefin der Dachgewerkschaft sorgt sich vorzugsweise um fernstehende Klientel, will man meinen. Um Industrielle, etwa jene aus energieintensiven Sektoren. »Die Lage ist alles andere als entspannt«, weiß sie. Düsterer noch: »Wir« seien immer noch in einer Krise. Wer genau? Na, die ganze Grundstoffindustrie. Ach so. »Von der........

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