Mit einer Werbekampagne will das städtische Bildungsdezernat in Frankfurt mehr Erzieher gewinnen. Denn bis 2030, so die Hochrechnung des Landes Hessen, werden in der Kinderbetreuung in der Mainmetropole rund 5000 Pädagogen fehlen. Das hängt mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen zusammen, der von 2026 an eingeführt wird. Diese Neuerung wird den Erziehermangel noch einmal verschärfen. Dabei fehlen heute schon in der Mainmetropole so viele Erzieher, dass Kitas weniger Kinder aufnehmen als geplant oder ihre Öffnungszeiten verkürzen.

Der Personalmangel ist also groß, nicht nur in Frankfurt. Alle Kommunen und freien Träger fischen dabei im gleichen Becken. Erzieher können sich ihre Arbeitgeber heutzutage aussuchen. Die Stadt buhlt darum nun mit einer Kampagne um die Aufmerksamkeit potentieller Bewerber. Sie setzt nicht nur auf schrille Farben, sondern auch auf einen Slogan, den die Entwickler für besonders hip zu halten scheinen: „Erzieher*in werden? NICE!“ Für wen das kryptisch klingt, der dürfte schon etwas älter sein. Nice ist sogenannte Jugendsprache – oder was Erwachsene dafür halten – und drückt allgemeine Zustimmung aus.

„Wir verwenden die Sprache unserer jugendlichen Zielgruppe“, sagt Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD). Die Offenbacher Agentur Brand Factory hat die Werbekampagne konzipiert. Sie ist nicht zum ersten Mal für das Bildungsdezernat tätig und hat ein Faible für solche Formulierungen. Erst vor einem halben Jahr wurde eine ebenfalls von der Agentur ersonnene Kampagne vorgestellt, mit der für die städtischen Berufsschulen geworben wird. „Berufliche Schulen Frankfurt – Safe dein Weg“, lautete der Slogan.

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Das klingt ebenso anbiedernd, ja geradezu ranschmeißerisch wie der aktuelle Titel und bietet tatsächlich Anlass zum Fremdschämen. Es ist zu befürchten, dass ein gegenteiliger Effekt eintritt: Jugendliche reagieren sensibel, wenn sie jemand vereinnahmen will, indem er selbst einen auf jugendlich macht und vermeintlich ihre Sprache spricht.

Auch dafür gibt es einen Begriff in der Jugendsprache. „Cringe“ sagt man in solchen Fällen, und das bedeutet einfach nur peinlich. Man darf gespannt sein, was sich die Brand Factory als Nächstes für das Dezernat ausdenkt. Vielleicht „Bildungsdezernat – stabil deine Behörde“. Die Opposition würde darauf wohl schlicht mit „wtf?“ reagieren.

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Wie sich das Frankfurter Bildungsdezernat lächerlich macht

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23.11.2023

Mit einer Werbekampagne will das städtische Bildungsdezernat in Frankfurt mehr Erzieher gewinnen. Denn bis 2030, so die Hochrechnung des Landes Hessen, werden in der Kinderbetreuung in der Mainmetropole rund 5000 Pädagogen fehlen. Das hängt mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen zusammen, der von 2026 an eingeführt wird. Diese Neuerung wird den Erziehermangel noch einmal verschärfen. Dabei fehlen heute schon in der Mainmetropole so viele Erzieher, dass Kitas weniger Kinder aufnehmen als geplant oder ihre Öffnungszeiten verkürzen.

Der Personalmangel ist also groß, nicht nur in Frankfurt. Alle Kommunen und freien Träger fischen dabei........

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