Neulich im ICE. Auf dem Zweiersitz schräg gegenüber halten junge Eltern ein Baby auf dem Schoß. Es ist vielleicht ein Jahr alt. Die Eltern haben offenbar keine Spielsachen dabei, nur das Handy. Also werden Videos aufgerufen, mit Trickfilmen animierte Kinderlieder und dergleichen. Die ganze Zugfahrt lang. Ob das kleine Wesen davon Schaden nehmen wird? Kinderärzte sind davon überzeugt. Ihre Empfehlung lautet, dass Babys und Kleinkinder im Alter bis drei Jahren „bildschirmfrei“ leben sollten.

Eine Gruppe Wissenschaftler warnt nun mit drastischen Worten vor den Gefahren der Digitalisierung an Schulen. Das ist berechtigt, denn Kinder- und Jugendärzte sehen das ähnlich: Die übermäßige Nutzung von Bildschirmmedien könne zu Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Empathieverlust, schlechten Schulleistungen und Computerspielsucht führen.

Können Schulen aber wirklich ganz auf digitale Medien verzichten? Eine Verbannung dieser Techniken aus dem Unterricht erscheint weder machbar noch sinnvoll. Unsere Welt wird immer digitaler, auch der wirtschaftliche Wohlstand des Landes hängt an einer klugen Nutzung digitaler Technologien. Das sind Anforderungen, vor denen man nicht die Augen verschließen kann. Man kann nicht so tun, als gäbe es diese Geräte nicht. Wer sie verteufelt, sieht nicht, was sie leisten können. Und Verbote bewirken oft das Gegenteil.

Wie so oft kommt es auf die richtige Dosis an. Lernen am Laptop macht nicht zwangsläufig dümmer, der vernünftige Umgang mit diesen Medien ist entscheidend. Viele Kinder sind durch „Checker Tobi“ und die Kika-App schlauer geworden. Wichtig ist: Alles hat seine Zeit. Eltern sollten dafür sorgen, dass ihre Kinder eine altersgemäße „Medienzeit“ einhalten. Für die Altersstufe von sechs bis neun Jahren empfehlen Ärzte eine Bildschirmnutzung von höchstens 30 bis 45 Minuten am Tag.

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Wenn Grundschullehrer dann auch noch ein Tablet rausholen, ist dieses Kontingent schnell überschritten. Grundschulen sind ein geschützter Raum, in dem die Kinder es aushalten sollten, ohne Geräte zu sein. Vor dem Smartphone kleben sie noch früh genug. Und das Programmieren können sie auch noch später lernen.

Eltern sind aufgerufen, ihren Kinder eine vernünftige Mediennutzung zu vermitteln. Schulen sollten sie darin unterstützen. Im Umgang mit digitalen Medien sollte zumindest bis zum Ende der Grundschule gelten: Weniger ist mehr. Und gerne auch noch darüber hinaus.

QOSHE - Weniger ist mehr - Rainer Schulze
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Weniger ist mehr

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24.11.2023

Neulich im ICE. Auf dem Zweiersitz schräg gegenüber halten junge Eltern ein Baby auf dem Schoß. Es ist vielleicht ein Jahr alt. Die Eltern haben offenbar keine Spielsachen dabei, nur das Handy. Also werden Videos aufgerufen, mit Trickfilmen animierte Kinderlieder und dergleichen. Die ganze Zugfahrt lang. Ob das kleine Wesen davon Schaden nehmen wird? Kinderärzte sind davon überzeugt. Ihre Empfehlung lautet, dass Babys und Kleinkinder im Alter bis drei Jahren „bildschirmfrei“ leben sollten.

Eine Gruppe Wissenschaftler warnt nun mit drastischen Worten vor den Gefahren der Digitalisierung an Schulen. Das ist berechtigt, denn Kinder- und Jugendärzte sehen das ähnlich: Die........

© Frankfurter Allgemeine


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