Am Vorabend der angekündigten Glatteis-Apokalypse gehen die ersten Warnungen ein: Es drohe ein Unwetter mit Eisregen und rutschigen Straßen, wie man es Jahrzehnte nicht erlebt habe. Die Schulen reagieren prompt: Die einen schließen ganz oder bieten Distanzunterricht an. Die anderen stellen es den Eltern frei, ob sie ihre Kinder schicken wollen.

In den Elternchats und den sozialen Netzwerken beginnt die Diskussion. Es ist gar nicht so leicht, sich davon nicht verunsichern zu lassen und ruhig und entspannt zu bleiben. Auch der Nachwuchs bekommt mit, dass vor Unwettern gewarnt wird. Das Grundschulkind kündigt deshalb am Vorabend an, nicht hingehen zu wollen, obwohl die eigene Schule sogar geöffnet bleibt. Warum nicht? „Ich habe Angst.“ Man einigt sich nach beruhigendem Zureden darauf, die Lage am nächsten Morgen abzuwarten und dann zu entscheiden. Und siehe da: Ohne Glatteis geht es auf trockenen Straßen zur Schule.

Wer selbst auf dem Dorf in einer Zeit aufgewachsen ist, in der Schnee und Eis noch zum winterlichen Alltag gehörten, reibt sich verwundert die Augen. Die allgemeine Wahrnehmung, wann eine Wetterlage gefährlich ist, scheint sich seither verändert zu haben. Es greift besonders in der städtischen Bevölkerung eine Überempfindlichkeit um sich, die schnell in Panikmache und Hysterie kippt.

Diese Ängstlichkeit steckt auch die Kinder an. Wie soll man ihnen Zuversicht und Lebenstüchtigkeit vermitteln, wenn derart übertrieben wird? Wenn die Natur nur noch als bedrohlich und feindlich erachtet wird und die Behörden alarmistisch die Katastrophe an die Wand malen, muss man sich nicht wundern, wenn die Kinder ängstlich, verzärtelt und übervorsichtig werden.

Am Vormittag kommt eine E-Mail der Schulleitung: Wer angesichts der Unwetterwarnungen sein Kind früher aus der Schule abholen wolle, könne das gerne tun. Zu diesem Zeitpunkt fallen in Frankfurt gerade einmal ein paar Schneeflocken.

Wie sollen die Behörden also handeln? Sollen sie uns nicht mehr warnen? Doch. Aber vielleicht weniger drastisch. Ruhig an den gesunden Menschenverstand appellieren und an die Fähigkeit, die Lage vernünftig selbst einschätzen zu können. Bei Glatteis vorsichtig sein. Aber nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen, wenn es ein bisschen grieselt. Das würde den Eltern helfen. Denn sie müssen am Ende entscheiden.

QOSHE - Was soll diese Panikmache? - Rainer Schulze
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Was soll diese Panikmache?

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18.01.2024

Am Vorabend der angekündigten Glatteis-Apokalypse gehen die ersten Warnungen ein: Es drohe ein Unwetter mit Eisregen und rutschigen Straßen, wie man es Jahrzehnte nicht erlebt habe. Die Schulen reagieren prompt: Die einen schließen ganz oder bieten Distanzunterricht an. Die anderen stellen es den Eltern frei, ob sie ihre Kinder schicken wollen.

In den Elternchats und den sozialen Netzwerken beginnt die Diskussion. Es ist gar nicht so leicht, sich davon nicht verunsichern zu lassen und ruhig und entspannt zu bleiben. Auch der Nachwuchs bekommt mit, dass vor Unwettern gewarnt wird. Das........

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