Alles hat seinen Preis. Auch die Befreiung der Beine aus den Röhrenjeans. Auf den ersten Blick – und der ist ein paar Jahre her – hatte diese Befreiungsbewegung keinen großen Preis, mal abgesehen von der gleichzeitigen Verlagerung des Hosenbunds in Richtung Hüfte. Endlich nicht mehr so tun, als müssten die beiden Säulen, die einen durchs Leben tragen, in zu wenig Stoff passen! Das bisschen Quetschen gehörte halt dazu, unbequem ohne Ende, aber so war es halt, die anderen trugen’s ja auch.

Nein, damit ist längst Schluss. Die Generation Z hat die weite Hose aus der Grabbelkiste der Nullerjahre hervorgeholt – und damit die Beinfreiheit. Aus Jeansstoff, Leinen, Baumwolle, in baggy, ausgestellt, als Schlaghose, ­alles geht. Noch dazu in hellen, mutigen Farben, über die man in Form einer Röhrenjeans achtmal nach­gedacht hätte, könnte dann doch diese eine Delle zu sehen sein, und man ist schließlich die einzige Person auf der ganzen Welt mit Dellen am Bein.

Der weiten Hose sind Täler so egal wie Anhöhen, nichts, einfach nichts berührt sie. Außer der Fahrradkette. Und das ist der Preis. Weite ­Hosen und Fahrradfahren – diese zwei Bewegungsfreiheiten nerven sich gegenseitig und kleben doch an­ei­n­ander wie einst die Röhrenjeans an der schwitzigen Haut. Jetzt, da der Frühling wieder einmal auf sich warten lässt, könnten die Glockenhosen zu luftig sein für die Kälte in städtischen Frischluftschneisen. Aber wer in deutschen Städten nicht wahlweise am Nah- oder am Autoverkehr verzweifeln will, der fährt Fahrrad.

Und so wenig die weite Hose Waden und Knöchel berührt, so sehr schmiegt sie sich an den Antriebsmechanismus des Rads, der bekanntlich trotz Schutzvorrichtung alles mit Nachdruck verschmutzt, was in seine Nähe flattert. O-beinig fahren hilft, garantiert aber für nichts und hat mit Bewegungsfreiheit wenig zu tun. Spiral-Haargummis um Wade und Stoff helfen, aber nicht zuverlässig. Alle Stoffeindämmungsmaßnahmen verrutschen, selbst Reflexbänder. Die modische Eleganz kommt ohnehin unter die Räder.

Am Ende ist da Dreck. Und die morgendliche Entscheidung für engere Hosen. Vielleicht muss man diese Einschränkung demütig hinnehmen. Oder schmutzige Hosen salonfähig machen. Undenkbar? Der Untergang der Röhrenjeans war es auch.

QOSHE - Alles hat seinen Preis - Kim Maurus
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Alles hat seinen Preis

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18.04.2024

Alles hat seinen Preis. Auch die Befreiung der Beine aus den Röhrenjeans. Auf den ersten Blick – und der ist ein paar Jahre her – hatte diese Befreiungsbewegung keinen großen Preis, mal abgesehen von der gleichzeitigen Verlagerung des Hosenbunds in Richtung Hüfte. Endlich nicht mehr so tun, als müssten die beiden Säulen, die einen durchs Leben tragen, in zu wenig Stoff passen! Das bisschen Quetschen gehörte halt dazu, unbequem ohne Ende, aber so war es halt, die anderen trugen’s ja auch.

Nein, damit ist längst Schluss. Die Generation Z hat die weite Hose aus........

© Frankfurter Allgemeine


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