Die Ampelkoalition und die Landwirte haben ein gemeinsames Problem: Es fehlt an kohärenten und überzeugenden Konzepten, wie die Zielkonflikte bewältigt werden sollen, die immer häufiger zur Zerreißprobe werden. Der Verbraucher soll möglichst zu heimisch erzeugten Lebensmitteln greifen. Gleichzeitig soll die Natur geschont werden. Und dann wäre da noch das Landleben als soziale Gemeinschaft und Kulturraum zu schützen. Doch herrscht große Rat- und Planlosigkeit, wie das alles funktionieren und vor allem auch finanziert werden soll. Die Kontroverse über die Streichung von Agrarsubventionen macht wie unter einem Brennglas deutlich, wie schwierig die Gemengelage ist.

Der unselige Konflikt um die Subventionstöpfe fördert zudem den Eindruck bei Wählern und Verbrauchern, dass allmählich alles in diesem Land aus den Fugen gerät. Der von Bauern begleitete versuchte Sturm auf eine Fähre mit dem Urlaubsrückkehrer, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck an Bord wird anders wahrgenommen, als wenn in Berlin Klimaaktivisten den Großstadtverkehr lahmlegen.

Die Episode am Fähranleger Schlüttsiel markiert die jüngste Windung einer Spirale der Entfremdung zwischen Politik und Landwirtschaft. Es wird höchste Zeit, dass Politik und Bauernvertreter diese Entwicklung stoppen.

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Es hilft alles nichts: Die Subventionspolitik muss dringend reformiert werden, nicht nur im Bereich Landwirtschaft, deren Anteil an den staatlichen Subventionen noch vergleichsweise gering ist. Der Verdruss der Landwirte, dass die Bundesregierung nun gerade bei ihnen ansetzt, um Verpflichtungen zur Streichung klimaschädlicher Beihilfen zu erfüllen, ist verständlich. Stichwort Kerosinsteuer oder Dienstwagenprivileg. Im Übrigen verweisen Fachleute darauf, dass der Wegfall der Agrardieselbeihilfen dem Klima nicht hilft, solange keine E-Landmaschinen im Einsatz sind.

Klar ist aber auch: Die Stützung wenig wettbewerbsfähiger Betriebe ist kein Zukunftsmodell. Politik und Bauern sind den Steuerzahlern bislang die Antwort schuldig geblieben, welche Agrarsubventionen einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen.

QOSHE - Spirale der Entfremdung - Katja Gelinsky, Berlin
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Spirale der Entfremdung

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06.01.2024

Die Ampelkoalition und die Landwirte haben ein gemeinsames Problem: Es fehlt an kohärenten und überzeugenden Konzepten, wie die Zielkonflikte bewältigt werden sollen, die immer häufiger zur Zerreißprobe werden. Der Verbraucher soll möglichst zu heimisch erzeugten Lebensmitteln greifen. Gleichzeitig soll die Natur geschont werden. Und dann wäre da noch das Landleben als soziale Gemeinschaft und Kulturraum zu schützen. Doch herrscht große Rat- und Planlosigkeit, wie das alles funktionieren und vor allem auch finanziert werden soll. Die Kontroverse über die Streichung von........

© Frankfurter Allgemeine


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