Die Universität Köln hat zwei Vorlesungen der Philosophin Nancy Fraser abgesagt, die sie als Albertus-Magnus-Professorin halten sollte. Fraser hatte im üblichen Reflex kurz nach dem 7. Oktober einen Aufruf zum Boykott Israels unterschrieben, der auch israelische Universitäten einschloss. Das, fand man in Köln, ging zu weit, um noch eine hohe Ehrung durch die dortige Universität zu rechtfertigen.

Jetzt ist der Lärm groß. Eine Unterschriftenliste ist schnell zustande gekommen, unterschreiben kostet nicht viel, weder an Gedanken noch an Zeit. Die Meinungsfreiheit, heißt es, sei in Gefahr, Deutschland isoliere sich durch solche Aktionen gegenüber den internationalen Gepflogenheiten im Umgang mit Boykottaufrufen gegen Israel. Bei der Kölner Absage handele es sich um den Versuch, „die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion zu Israel und Palästina“ einzuschränken. Im selben Satz der Stellungnahme diensthabender Kritischer Theoretiker heißt es dann aber auch, Nancy Fraser befasse sich in ihrer Arbeit gar nicht mit Israel und habe es in Köln nicht vorgehabt.

Ah, die Universität Köln hat also etwas zu unterdrücken versucht, was es gar nicht gibt und gar nicht geben sollte: Einen überdies wissenschaftlichen Beitrag Nancy Frasers zur Diskussion der Lage in Palästina nach dem 7. Oktober. Dürfen an Kritische Theoretiker denn keine Minimalforderungen gestellt werden, was argumentative Logik angeht? Wo ist ihr Sinn für das geblieben, was in ihrer Terminologie „performativer Sprechakt“ heißt? Die Einladung zur Gastvorlesung sollte eine Ehrerweisung sein, kein wissenschaftliches Projekt. Die Grundlagen für einen Orden aber können unabhängig vom Inhalt der akademischen Vorträge entfallen.

Doch nicht nur die Kollegen Frasers stoßen ins Horn des „schweren Schadens“ und des „Angriffs auf die Universität“. Eine „Selbstprovinzialisierung Deutschlands“, meint beispielsweise ein Radiojournalist vom Deutschlandfunk, Stephan Detjen, schreite damit „munter voran“. Weshalb denn „munter“? Detjen erklärt es so wenig wie seine restlichen Redensarten. Es finde eine Abschottung des akademischen Diskurses statt. Fraser werde ausgegrenzt.

Ob er schon einmal einen der Texte von Fraser gelesen hat? Weiß er, dass sie ganz übliche Seminarlektüre in Deutschland sind, weiß er, dass jeglicher Text Frasers, von dem „der Diskurs“ in Deutschland Gebrauch machen könnte, greifbar ist? Wie könnte also die Philosophin durch die Rücknahme einer Einladung zum Gastvortrag „abgeschottet“ werden? Wäre sie denn auch abgeschottet worden, wenn sie, in Kenntnis ihres Boykottaufrufs, erst gar niemand eingeladen hätte?

Detjen tut so, als dürften Frasers Argumente, in Köln und andernorts, nicht diskutiert werden. Das Sagbare werde in die Grenzen der hiesigen Erinnerungskultur verwiesen. Daher weht der Wind bei Detjen, ihm passt die Sache mit der Staatsräson nicht. Als spielte das historische Gedächtnis in der Frage, ob eine Person geehrt werden sollte, die zum Boykott israelischer Universitäten aufruft, irgendeine Rolle.

QOSHE - Die Phrase von der Ausgrenzung - Jürgen Kaube
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Die Phrase von der Ausgrenzung

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07.04.2024

Die Universität Köln hat zwei Vorlesungen der Philosophin Nancy Fraser abgesagt, die sie als Albertus-Magnus-Professorin halten sollte. Fraser hatte im üblichen Reflex kurz nach dem 7. Oktober einen Aufruf zum Boykott Israels unterschrieben, der auch israelische Universitäten einschloss. Das, fand man in Köln, ging zu weit, um noch eine hohe Ehrung durch die dortige Universität zu rechtfertigen.

Jetzt ist der Lärm groß. Eine Unterschriftenliste ist schnell zustande gekommen, unterschreiben kostet nicht viel, weder an Gedanken noch an Zeit. Die Meinungsfreiheit, heißt es, sei in Gefahr, Deutschland isoliere sich durch solche Aktionen gegenüber den internationalen Gepflogenheiten im Umgang mit Boykottaufrufen gegen Israel. Bei der Kölner........

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