Wenn nicht noch ein politisches Wunder geschieht, wird die AfD Ende dieses Jahres in drei Bundesländern die Mehrheit stellen und auch in der Europawahl im Sommer ein beachtliches Ergebnis erzielen. Wie groß das Wunder sein muss, dafür stehen unter anderem Hoffnungen, einzig Sahra Wagenknecht könne noch dafür sorgen, dass die Bäume der AfD nicht in den Himmel wachsen. Den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben ist die Folge einer Bekämpfungsverlegenheit, die nun schon ein Jahrzehnt andauert und die AfD größer statt kleiner gemacht hat.
Die guten, aber vergeblichen Vorsätze, die auch jetzt wieder zu hören und zu lesen sind, haben sich in all den Jahren nicht geändert: Man müsse die AfD inhaltlich stellen, müsse sie entzaubern, müsse den Schaden offenlegen, den ihr Programm anrichte, wenn es in die Tat umgesetzt würde. Das ist der richtige Weg.
Aber wann wurde er ernsthaft eingeschlagen? Wenn er tatsächlich beschritten worden wäre, hätte dann die Überraschung angesichts abenteuerlicher Vorstellungen in AfD-Kreisen über eine verharmlosend „Remigration“ genannte ethnische Säuberung so groß wie jetzt sein dürfen? Wer lesen kann, wusste davon seit Jahren, und es wäre ein Leichtes gewesen, seriöse Ausländer- und Integrationspolitik davon abzugrenzen.
Einfacher fällt dagegen die phrasenhafte Inszenierung („Nie wieder ist jetzt“) von Abscheu und Empörung, der Ekel über das radikale Fremdartige dieser Partei. Doch die Entrüstung über das Böse hat weniger die Angst vor der Größe und Hässlichkeit der AfD vor Augen als vielmehr den Stolz über die Größe und die Schönheit der eigenen moralischen Überlegenheit. Die entlastet von der Herausforderung, Konsequenzen aus eigenen Versäumnissen zu ziehen, die zum Aufstieg der AfD beigetragen haben könnten. Die Bekämpfung der AfD reduzierte sich auf diese Weise auf ein einziges Wort: Nazipartei.
Wenn sie das ist, das größtmögliche parteipolitische Übel angesichts der deutschen Geschichte, für welche Partei, wenn nicht für diese, käme dann ein Verbotsverfahren infrage? Der Ruf nach einem Verbot ist die letzte Waffe in einer Auseinandersetzung, die nicht daran interessiert war, ob hier etwas anderes, eine neue Form von rechtem Extremismus entstanden ist, die neue Formen des Reagierens verlangt, die andernfalls in verwandelter Gestalt immer wiederkehren kann.
Wohin ein Verbot führen dürfte, kann schließlich jeder wache Zeitgenosse beim Blick durch Europa und nach Amerika sehen: Es gibt mittlerweile so viele Spielarten dieser „Nazipartei“, wie es europäische und amerikanische Länder gibt. In keinem dieser Länder aber scheint das Vertrauen in die Institutionen so gering wie in Deutschland zu sein, dass nach einem Verbot gerufen würde.
Das Verbot ist das Mittel desjenigen, der sich nicht mehr zu helfen weiß. In dieser Sackgasse mussten all diejenigen landen, die aus ihrer moralischen Überlegenheit die Schlussfolgerung zogen, nur ja nicht das Terrain zu betreten, auf dem sich die AfD breitgemacht hatte. Wer es dennoch tat, war eben auch ein Nazi. Das gilt in erster Linie für die Migrationspolitik, aber auch für die Europa-, die Klima- und die Gesellschaftspolitik.
Da es zum Tabu erklärt wurde, den Populisten „auf den Leim zu gehen“ oder „hinterherzulaufen“, gerieten traditionelle Parteien in die Verlegenheit, das Gegenteil dessen zu tun, was hilfreich gewesen wäre. Sie liefen und laufen revolutionären Veränderungen hinterher, neuen Realitäten, ob sie nun Globalisierung, Krieg, Digitalisierung oder grenzenlose Migrationsströme heißen mögen. Am Ende laufen sie Bevölkerungsteilen hinterher, die sich von ihnen nicht mehr vertreten fühlen.
Ihre klassische Rolle, die sie Anfang der Neunzigerjahre in der Asylpolitik noch mit Ach und Krach ausgefüllt hatten, nämlich rechtzeitig auf Gewalt, Protest und Fehlentwicklungen zu reagieren, um politische Extreme zu verdrängen (damals die „Republikaner“), konnten oder wollten die Volksparteien nicht mehr ausfüllen. CDU und CSU fielen in der Migrationspolitik zwei Jahrzehnte lang aus, die SPD fällt noch immer und fortwährend aus. Es ist deshalb nicht übertrieben, zu sagen, dass es für die Sozialdemokraten im ungewohnten Wetteifer mit neuartigen rechts- wie linkspopulistischen Parteien um die Existenz geht.
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Der Rechtsextremismus erscheint in der Perspektive der Moralpauke wie ein grassierendes Virus, das weite Teile der Wählerschaft auf diabolische Weise erfasst hat, anstatt dass er als das genommen wird, was er ist, als Ergebnis unterlassener rechtzeitiger Gegensteuerung und selbst verschuldeter Gestaltungsarmut. In der Migrationspolitik macht sich ein Umdenken bemerkbar. Selbstredend wird das als „Rechtsruck“ diskreditiert. Dabei ist es ein Ruck, der verhindert, mit der AfD auch noch ganze Wählerschichten für verloren und verboten zu erklären.
Mit der Nazikeule in die Sackgasse
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17.01.2024
Wenn nicht noch ein politisches Wunder geschieht, wird die AfD Ende dieses Jahres in drei Bundesländern die Mehrheit stellen und auch in der Europawahl im Sommer ein beachtliches Ergebnis erzielen. Wie groß das Wunder sein muss, dafür stehen unter anderem Hoffnungen, einzig Sahra Wagenknecht könne noch dafür sorgen, dass die Bäume der AfD nicht in den Himmel wachsen. Den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben ist die Folge einer Bekämpfungsverlegenheit, die nun schon ein Jahrzehnt andauert und die AfD größer statt kleiner gemacht hat.
Die guten, aber vergeblichen Vorsätze, die auch jetzt wieder zu hören und zu lesen sind, haben sich in all den Jahren nicht geändert: Man müsse die AfD inhaltlich stellen, müsse sie entzaubern, müsse den Schaden offenlegen, den ihr Programm anrichte, wenn es in die Tat umgesetzt würde. Das ist der richtige Weg.
Aber wann wurde er ernsthaft eingeschlagen? Wenn er tatsächlich beschritten worden wäre, hätte dann die Überraschung angesichts abenteuerlicher Vorstellungen in AfD-Kreisen über eine verharmlosend „Remigration“ genannte ethnische Säuberung so groß wie jetzt sein dürfen? Wer lesen kann, wusste davon seit Jahren, und es wäre ein Leichtes gewesen, seriöse Ausländer- und Integrationspolitik davon........
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