Noch ist nicht klar, ob die jüngste Eskalationsrunde zwischen Israel und Iran mit den Nadelstichen von Isfahan und Täbris abgeschlossen ist – und wie schmerzhaft die Schläge wirklich waren. Teheran hat großes Interesse daran, die Folgen herunterzuspielen, zumal der eigene Angriff auf Israel weitgehend wirkungslos blieb. In der Schulhoflogik der nahöstlichen Vergeltungspolitik ist es essenziell, vor den eigenen Leuten nicht als Verlierer dazustehen. Dazu passt auch das präpotente Gebaren iranischer Funktionäre, die über den begrenzten Umfang des Gegenschlags spotten.

Immerhin haben beide Seiten mit ihren Aktionen das Signal gesendet, dass sie derzeit keine weitere Ausweitung der Kampfzone anstreben. Iran sicherlich, weil es einen machtvollen Schlag Israels fürchtet; Israel wahrscheinlich, weil der Druck des Westens wirkt. Nun bleibt zu hoffen, dass diese eingeschränkt gewaltsame Lösung für beide Seiten als hinreichend gesichtswahrend gilt. Doch zum Aufatmen gibt es keinen Grund. Denn abgeschlossen ist der Streit nicht.

Iran steht kurz vor der Schwelle, bei deren Überschreiten es eigene Nuklearwaffen bauen kann. Käme es dazu, würde in der Region eine neue Dynamik entfacht: Israel fühlt sich existenziell von einer Atombombe in den Händen Teherans bedroht, doch es verfügt es über eigene nukleare Abschreckungsfähigkeit.

Aber allen ist klar, dass auch ein militärischer Schlag gegen das iranische Atomprogramm kaum absehbare Folgen hätte, nicht nur, weil er dem Regime das Argument liefern würde, die eigene Bombe künftig gegen jeden internationalen Widerstand bauen zu müssen.

Teheran hat jahrzehntelang vorgebaut und seine destruktiven Arme bis in die letzten Winkel der Region ausgestreckt. Bislang versucht der Westen, die Gefahr auf vielen Ebenen durch nicht militärische Mittel einzuhegen. Wie lange das noch gut geht, ist ungewiss.

QOSHE - In der nahöstlichen Gewaltdynamik - Alexander Haneke
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In der nahöstlichen Gewaltdynamik

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19.04.2024

Noch ist nicht klar, ob die jüngste Eskalationsrunde zwischen Israel und Iran mit den Nadelstichen von Isfahan und Täbris abgeschlossen ist – und wie schmerzhaft die Schläge wirklich waren. Teheran hat großes Interesse daran, die Folgen herunterzuspielen, zumal der eigene Angriff auf Israel weitgehend wirkungslos blieb. In der Schulhoflogik der nahöstlichen Vergeltungspolitik ist es essenziell, vor den eigenen Leuten nicht als Verlierer dazustehen. Dazu........

© Frankfurter Allgemeine


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