Noch ist die Sache nicht gelaufen. In Schweden hat man in den letzten anderthalb Jahren Erfahrung genug gesammelt, um zu wissen, dass dem türkischen Präsidenten Erdoğan jederzeit etwas einfallen kann, seine Unterschrift auf dem Beitrittsprotokoll herauszuzögern. Doch mit dem klaren Votum der Erdoğan gefügigen Parlamentsmehrheit in Ankara für eine NATO-Mitgliedschaft Schwedens ist der entscheidende Schritt gemacht.

Auch Ungarn, dessen Ministerpräsident Orban den Türken bei ihrer Erpressungsstrategie gegen die Skandinavier zur Seite stand, wird wohl bald sein Plazet geben. Orban ging es ohnehin weniger um konkrete Forderungen als um die Verlockung, im türkischen Windschatten ein nützliches Pfand gegen Schweden in der Hand zu behalten.

Für die NATO stellt sich vor allem die Frage, welche Schlüsse man aus dem anderthalb Jahre währenden Ringen um Schwedens Beitrittsgesuch ziehen muss. Dass ein Mitgliedsland bestimmte Erwartungen an einen neuen Bewerber formuliert, ist legitim. Der NATO-Vertrag enthält ein weitgehendes Beistandsversprechen, das das Bündnis zu einer Schicksalsgemeinschaft macht. Über diese Erwartungen muss gesprochen und verhandelt werden. Darauf hatten die Schweden sich eingelassen.

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Erdoğan hat mit seiner Hinhaltetaktik aber deutlich gemacht, dass er bereit ist, sein Blatt maximal auszureizen. Ob es ihm genutzt hat, wird sich vielleicht bei der Entscheidung über die amerikanischen F-16-Lieferungen zeigen. Am Ende sind die Machtdemonstrationen des türkischen Präsidenten ohnehin meist für das heimische Publikum bestimmt.

Das Muster aber, die eigenen Interessen mit aller Brachialität selbst den Verbündeten gegenüber durchzusetzen, hat vor ihm ein anderer auf dem internationalen Parkett salonfähig gemacht. Für dessen mögliche Rückkehr sollte sich Europa wappnen. Und dafür, dass er weitere Nachahmer finden wird.

QOSHE - Es wird nicht der letzte Erpressungsversuch sein - Alexander Haneke
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Es wird nicht der letzte Erpressungsversuch sein

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24.01.2024

Noch ist die Sache nicht gelaufen. In Schweden hat man in den letzten anderthalb Jahren Erfahrung genug gesammelt, um zu wissen, dass dem türkischen Präsidenten Erdoğan jederzeit etwas einfallen kann, seine Unterschrift auf dem Beitrittsprotokoll herauszuzögern. Doch mit dem klaren Votum der Erdoğan gefügigen Parlamentsmehrheit in Ankara für eine NATO-Mitgliedschaft Schwedens ist der entscheidende Schritt gemacht.

Auch Ungarn, dessen Ministerpräsident Orban den Türken bei ihrer Erpressungsstrategie........

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