Eines muss man Klaus Schwab lassen: Sein oft totgesagtes Weltwirtschaftsforum (WEF) lebt – und wie! Ausser aus Russland hat er aus allen relevanten Ländern eine hochkarätige Delegation nach Davos gelockt. Und das neben den Wirtschaftsführern, die auch dieses Jahr wieder in grosser Zahl in die Schweizer Alpen pilgern.

Ob das viel bringt, das liegt nicht in der Macht des WEF. Denn Macht hat es keine. Aber irgendwie Angst vor dem eigenen Mut. Denn anstatt das diesjährige Treffen unter das Motto zu stellen, das wirklich wichtig wäre, nämlich «Frieden schaffen», spricht sein WEF gewohnt blumig davon, es wolle einen «entscheidenden Raum bieten, um sich auf die grundlegenden Prinzipien zu konzentrieren, die Vertrauen fördern, darunter Transparenz, Konsistenz und Rechenschaftspflicht». Entsprechend heisst das offizielle Motto: «Rebuilding Trust».

Dabei gibt es eigentlich nur etwas, das die Welt und die Wirtschaft im Moment bewegen muss, nämlich die Kriege, die gerade toben. Da ist einmal der Ukraine-Krieg, der nun seit zwei Jahren andauert und für den kein Ende in Sicht ist. Wirtschaftlich hat der Westen diesen Krieg für den Moment weggesteckt. Obwohl im Osten der Ukraine jeden Monat Tausende sterben, boomen die Börsen weiter. Längerfristig wird der Konflikt allerdings seine wirtschaftlichen Auswirkungen haben, denn Europa ist als Produktionsstandort viel weniger attraktiv als vor dem Krieg. Dies betrifft namentlich Deutschland, wo die Auto- und die Chemieindustrie massiv unter den gestiegenen Energiekosten leiden, seit Putins billiges Gas fehlt.

Es ist geradezu grotesk, wozu das umweltpolitisch führt. So importiert Deutschland, und damit indirekt auch wir, teures Flüssiggas aus den USA, das vorwiegend durch Fracking gefördert wird. Fracking ist in Europa verboten, weil das Aufbrechen von Gestein durch Wasser, Sand und Chemikalien, um Gas zu gewinnen, umweltschädlich ist. Noch umweltschädlicher sind aber die Verflüssigung von Gas und dessen Transport übers Meer.

Die Amerikaner machen also das grosse Geschäft dank des Krieges und der Scheinheiligkeit der Europäer. Darüber spricht niemand, am WEF schon gar nicht. Ein weiterer Krieg, der für die Wirtschaft unmittelbar eine Bedrohung ist, ist jener um Gaza. Ausgelöst durch das Massaker der Hamas, gibt es inzwischen nicht nur eine humanitäre Katastrophe in Israel und bei den Palästinensern mit über 20’000 Toten, sondern es droht ein Flächenbrand in der Region. Inzwischen ist die ganze Schifffahrt durch den Suezkanal bedroht, weil die vom Iran gestützten Huthi aus dem Jemen die Schiffe in der Meerenge vor Aden beschiessen.

Auf der anderen Seite des Meeres wüten gleich mehrere Konflikte, die sind aber für uns wirtschaftlich unbedeutend – also praktisch vergessen. Da ist einerseits der vergessene Bürgerkrieg im Sudan, der seit Mitte April 2023 mehr als 10’000 Menschenleben gefordert hat. Nach UNO-Angaben sind zudem mehr als 6 Millionen Menschen auf der Flucht. Auch ein Ende dieses Konflikts ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Vor einem Monat forderte der Sudan die UNO auf, ihre politische Mission Unitams zu beenden. Der Grund: Die Unitams hat die Menschenrechtsverletzungen der Kriegsparteien dokumentiert, und das passt den Machthabern nicht.

Nicht weit davon entfernt droht ein weiterer Konflikt, den niemanden gross interessiert. So hat Äthiopien mit Somaliland, einer abtrünnigen Provinz Somalias, einen Pakt geschlossen, der dem Land einen Zugang zum Meer sichern soll. Neben all den internen Konflikten, die in Äthiopien seit 2020 über eine halbe Million Tote forderten, hat dessen Ministerpräsident Abiy Ahmed, notabene ein Friedensnobelpreisträger, nun noch einen externen Konflikt lanciert.

Aber man lässt ihn gewähren. Es wäre die Chance Schwabs gewesen, dies alles auf die grosse Bühne zu bringen. Doch leider wurde dies verpasst. Damit bleibt das WEF, was es immer war: eine Bühne der Eitelkeiten mit einem begrenzten Anspruch, die Welt zu verbessern. Das ist nicht perfekt, aber immerhin etwas, könnte man sagen.

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QOSHE - Das Motto müsste der Frieden sein - Arthur Rutishauser
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Das Motto müsste der Frieden sein

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14.01.2024

Eines muss man Klaus Schwab lassen: Sein oft totgesagtes Weltwirtschaftsforum (WEF) lebt – und wie! Ausser aus Russland hat er aus allen relevanten Ländern eine hochkarätige Delegation nach Davos gelockt. Und das neben den Wirtschaftsführern, die auch dieses Jahr wieder in grosser Zahl in die Schweizer Alpen pilgern.

Ob das viel bringt, das liegt nicht in der Macht des WEF. Denn Macht hat es keine. Aber irgendwie Angst vor dem eigenen Mut. Denn anstatt das diesjährige Treffen unter das Motto zu stellen, das wirklich wichtig wäre, nämlich «Frieden schaffen», spricht sein WEF gewohnt blumig davon, es wolle einen «entscheidenden Raum bieten, um sich auf die grundlegenden Prinzipien zu konzentrieren, die Vertrauen fördern, darunter Transparenz, Konsistenz und Rechenschaftspflicht». Entsprechend heisst das offizielle Motto: «Rebuilding Trust».

Dabei gibt es eigentlich nur etwas, das die Welt und die Wirtschaft im Moment bewegen muss, nämlich die Kriege, die gerade toben. Da ist einmal der Ukraine-Krieg, der nun seit zwei Jahren........

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