Wenn niemand zuständig ist: Der Kampf um das Erbe des DDR-Fliesenkünstlers Lothar Scholz
Ein Auto frisst sich durch die brandenburgische Nacht. Winter, leere Landstraßen, vor ein paar Jahren irgendwo im Landkreis Teltow Fläming. Am Steuer sitzt Martin Maleschka – Vollbart, Architekt. Er hat noch zwei Freunde im Wagen. Bevor es losging, schrieb Maleschka dem zuständigen Landeskonservator Kurznachrichten. „Gefahr im Verzug“, tippte er ins Handy. „Wir müssen schnell was machen.“ Die Antwort kam knapp: kein eingetragenes Denkmal, keine Verantwortung der Behörde. Also düsten Maleschka, der mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz geehrt wurde, und seine Freunde selber los. Jetzt drückt er das Gaspedal noch tiefer.
Kurz darauf hält der Wagen im 700-Einwohner-Ort Saalow. Vor den drei Männern liegt ein ehemaliges DDR-Pflegeheim: verlassener Gebäudekomplex, eingeschlagene Fenster, überall Graffiti. Ein Abenteuerspielplatz für urbane Entdecker – und ein Ort, an dem DDR-Kunst langsam verschwindet.
Bei den Hauseingängen entdecken sie, weswegen sie gekommen sind: die Keramikfliesenbilder von Lothar Scholz. Drei Wandbilder mit Motiven brandenburgischer Orte – weiße Zeichnungen auf rötlichen Fliesen, Wimmelbilder voller Details. Doch die einstige Pracht ist längst vergangen. Ein Bild wurde „abgestemmt“ und fehlt, eines liegt transportbereit in Einzelteilen am Boden, nur eines hängt noch. Nur durch Zufall hatten Maleschka und seine Freunde von dem Diebstahlversuch erfahren – Witterung und Vandalismus setzen den Reliefs zusätzlich zu.
Die drei Männer verpacken die auf dem Boden liegenden Fliesen sorgsam in Kartons. Der Plan: In der Scheune eines ortsansässigen Architekten sollen sie vorerst in Sicherheit gebracht, später an den Landkreis übergeben werden. Das letzte hängende Bild wollen sie mit Holzbrettern schützen. Was sie hier machen? Sie retten, was von Lothar Scholz’ Kunst noch übrig ist – weil es sonst kaum jemand tut.
Bedauerlicherweise konnte das große Wandbild nicht erhalten werden
Auch heute, im Dezember 2025, hat sich nicht viel geändert. Nach zwei Jahren Sanierungszeit wird im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen eine Schwimmhalle aus DDR-Zeiten wieder freigegeben. Die Berliner Bäderbetriebe schwärmen in einer Mitteilung von den Renovierungsarbeiten. „Bedauerlicherweise konnte jedoch das große Wandbild nicht erhalten werden“, heißt es. Hinter den Fliesen hätten sich Hohlräume gebildet.
Geschaffen hat das Werk: Lothar Scholz. An der Wand prangt nun eine schlichte Ersatzmalerei. „Weshalb muss man die ursprüngliche künstlerische Leistung mit solch einem billigen Abklatsch noch zusätzlich verhöhnen?“, fragt ein Nutzer auf Facebook.
Solche Verluste sind kein Einzelfall – sie prägen den Hintergrund, vor dem sich die Erinnerung an den 2015 verstorbenen Lothar Scholz heute behaupten muss. Zumindest an einem Ort wird sie dabei noch aktiv wachgehalten: Boizenburg, eine etwa 11.000 Einwohner*innen große Stadt an der Elbe im nordwestlichen Mecklenburg-Vorpommern. Hier ist der Geburtsort von Scholz, eine Fliesenfabrik – und das........





















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