Für die Ampel-Regierung drängt die Zeit. Bis 2025 soll Schluss sein mit klimaschädlichen Subventionen – so steht es im Koalitionsvertrag und so steht es in der Vereinbarung, die alle G7 Länder 2016 unterschrieben haben. Nur ist seitdem wenig passiert und so genau weiß die Regierung gar nicht, wie viel Geld in klimaschädliche Subventionen fließt.

Dabei veröffentlicht das Finanzministerium im Zwei-Jahres-Takt einen aktuellen Subventionsbericht, der genau dieses Ziel verfolgt: Dort sollen alle Subventionen aufgelistet werden. Neuerdings werden die einzelnen Kostenpunkte auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung evaluiert. Nur taucht ein Großteil der klimaschädlichen Subventionen im Bericht gar nicht auf. Der Begriff Subvention ist nämlich „konservativ und eng definiert“, wie Swantje Fiedler, Wissenschaftliche Leiterin des Forums für Ökologische und Soziale Marktwirtschaft (FÖS), erklärt. So gilt eine Fördermaßnahme erst dann als Subvention, wenn sie für eine eingegrenzte Gruppe wirkt. „Diesel wird beispielsweise geringer besteuert als Benzin. Der dabei entstehende Preisunterschied ist eigentlich eine klimaschädliche Subvention, zugunsten des Diesels. Das wertet die Bundesregierung aber nicht so, weil die Vergünstigung pauschal und nicht für eine bestimmte Gruppe gilt.“

Alleine das Dieselprivileg aus Fiedlers Beispiel kostet den Bund jährlich acht Milliarden Euro. 54 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen tauchen insgesamt nicht im Bericht des Finanzministeriums auf, jährlich. Das kam bei einem Vergleich des FÖS mit einer Studie des Umweltbundesamtes aus 2021 heraus.

Auf Nachfrage des Freitag, warum das Bundesfinanzministerium sich für die gewählte Definition des Begriffs „Subvention“ entschieden hat, erklärt ein Sprecher lediglich, dass diese durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz —ein Gesetz aus 1967— festgelegt worden ist und fortwährend gilt. Eine Auflistung aller klimaschädlichen Subventionen mit dem Volumen, auf das sich diese für 2024 insgesamt belaufen, hat das Finanzministerium nicht vorliegen, erklärt ein Sprecher.

Eine genaue Zahl, wie hoch sich das Volumen für 2024 beläuft, hat auch Fiedler nicht. Sie schätzt die Summe auf 65 Milliarden Euro. Diesen Wert berechnete das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie aus 2021. Der Subventions-Begriff wurde dabei weiter definiert als im Bericht des Finanzministeriums. Die Zahlen sind zwar nicht aktuell, lassen sich laut Fiedler dennoch „als Referenzbetrag“ ins Heute übertragen – schlichtweg, weil sich bei den meisten Kostenpunkten seit der Veröffentlichung wenig verändert hat. „Auf die Milliarde genau wissen wir damit aber nicht, was wir jährlich für klimaschädliche Subventionen ausgeben. Wenn der Bericht des Umweltbundesamtes alle zwei Jahre rauskommen würde, wäre das sehr hilfreich.“ Eine Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt für das Untersuchungsjahr 2021 zu einer ähnlich hohen Summe wie das UBA.

Man kann es kaum glauben, aber: Wie viel Steuergeld genau in klimaschädliche Subventionen fließt, darüber hat die Bundesregierung keinen Überblick. Fest steht aber: Es ist eine hohe zweistellige Milliardensumme, die unsere Gesellschaft gleich doppelt belastet. Bürger:innen zahlen Steuern für Maßnahmen, die die Klimakrise befeuern und sind anschließend mit den Folgen konfrontiert. Vor allem deshalb mahnen Expert:innen seit Jahrzehnten, dass klimaschädliche Subventionen gestrichen werden müssen. Bis zu 100 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente könnte man dadurch jährlich einsparen, so eine Rechnung des FÖS. Das entspricht in etwa dem CO₂-Ausstoß des gesamten PKW-Verkehrs in Deutschland für ein Jahr.

Und nicht nur das.

„Ein Großteil der klimaschädlichen Subventionen wirkt außerdem unsozial“, erklärt Fiedler. Generell sorgen Menschen mit mehr Einkommen für mehr Treibhausgasemissionen und profitieren somit mehr von klimaschädlichen Subventionen. Zum Beispiel ist im gewerblichen Luftverkehr eingesetztes Kerosin von der Energiesteuer befreit. Davon profitieren Wohlhabende mehr, weil sie öfter fliegen. Ein Abbau dieser Fördermaßnahmen kann also nicht nur Klimaschutz stärken und dem Staat Geld einbringen, sondern auch bestehende soziale Ungleichheit reduzieren.

Was hält den Staat also ab, die Subventionen zu streichen, wie im Koalitionsvertrag versprochen? Laut Fiedler liegt es an einem „Strauß an Hemmnissen“, der das Vorhaben verzögert. Manche Subventionen kann der Bund alleine nur schwer streichen, wegen juristischer Hürden. Darüber hinaus setzt bei Subventionen laut Fiedler ein Gewöhnungseffekt in der Gesellschaft ein. Möchte man also bestehende Subventionen streichen, empfindet die betroffene Gruppe dies als Bestrafung.

Eine pauschale Lösung zum Abbau klimaschädlicher Subventionen gibt es daher nicht.

„Man muss sich jede Subvention einzeln anschauen und eine Lösung finden“, so Fiedler. Wichtig sei, zu beachten, welche Einkommensschichten wie belastet werden, um gegebenenfalls sozial abzufedern. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass das Streichen einer Subvention eine Lenkungswirkung entfalten kann, etwa durch das Subventionieren einer klimafreundlichen Alternative.

Ein Negativ-Beispiel ist für die Leiterin des FÖS die geplante Streichung von Agrardiesel für Landwirte zu Beginn des Jahres. „Da standen die Menschen zurecht auf der Straße und haben gefragt: Ihr wollt uns das wegnehmen, aber wo sind denn die Alternativen? Diese Antworten muss man dann in der Schublade haben.“ Die Maßnahme sei „unvorbereitet“ und „unverhofft“ gekommen und habe daher für Frust unter Landwirt:innen gesorgt.

In einer Studie aus dem Jahr 2020 im Auftrag von Greenpeace stellt das FÖS zehn Subventionen vor, die sofort und sozialverträglich gestrichen werden könnten. Bis zu 46 Milliarden Euro würde man alleine dadurch einsparen und einen hohen zweistelligen Betrag an CO₂-Äquivalenten nicht mehr ausstoßen. Es gibt also durchaus Handlungsmöglichkeiten für die Regierung.

Auf Platz eins: Einführung einer Kerosinsteuer. Danach folgen chronologisch aufgelistet nach Klimawirkung und Einnahme-Potenzial: die Strompreisausnahmen für die Industrie, Steuerentlastung für die Stromerzeugung, Entfernungspauschale, Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, reduzierter Mehrwertsteuersatz auf tierische Produkte, Dieselprivileg, Energiesteuervergünstigung für die Industrie und zum Schluss die Subvention von Agrardiesel.

Auf die Frage, was die Regierung aktuell plant, um klimaschädliche Subventionen abzubauen, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums, dass für den kommenden Haushalt 2025 laufend Prüfungen stattfinden, „wie es etwa auch schon beim Haushalt 2024 der Fall war.“

Dabei wäre eigentlich ein anderes Tempo als bisher nötig. Fiedler zieht für die aktuelle Legislaturperiode eine durchwachsene Zwischenbilanz. „Es gibt zwar ein paar gute Maßnahmen der Regierung, aber auch ein paar, die es wieder verschlechtert haben.“ Dass man im Bereich Flugverkehr beispielsweise die Luftverkehrssteuer angehoben hat, hält sie der Ampel zugute. Dass hingegen die Stromsteuer für die Industrie gesenkt wurde, seit laut Fiedler „nicht besonders hilfreich“, da die Regel pauschal für jede Branche gilt. „Es wurde nicht geschaut, welche Gruppen das wirklich für internationale Wettbewerbsfähigkeit brauchen“, so Fiedler. Bisher sei die Bundesregierung ihrem Versprechen, klimaschädliche Subventionen abzubauen, deshalb noch nicht nachgekommen. „Wir warten noch sehr gespannt auf die Erfüllung dieses Satzes im Koalitionsvertrag.“

QOSHE - Sofortmaßnahmen | Richtig sparen: 10 klimaschädliche Subventionen, die sofort gestrichen werden könnten - Jerrit Schloßer
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Sofortmaßnahmen | Richtig sparen: 10 klimaschädliche Subventionen, die sofort gestrichen werden könnten

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04.05.2024

Für die Ampel-Regierung drängt die Zeit. Bis 2025 soll Schluss sein mit klimaschädlichen Subventionen – so steht es im Koalitionsvertrag und so steht es in der Vereinbarung, die alle G7 Länder 2016 unterschrieben haben. Nur ist seitdem wenig passiert und so genau weiß die Regierung gar nicht, wie viel Geld in klimaschädliche Subventionen fließt.

Dabei veröffentlicht das Finanzministerium im Zwei-Jahres-Takt einen aktuellen Subventionsbericht, der genau dieses Ziel verfolgt: Dort sollen alle Subventionen aufgelistet werden. Neuerdings werden die einzelnen Kostenpunkte auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung evaluiert. Nur taucht ein Großteil der klimaschädlichen Subventionen im Bericht gar nicht auf. Der Begriff Subvention ist nämlich „konservativ und eng definiert“, wie Swantje Fiedler, Wissenschaftliche Leiterin des Forums für Ökologische und Soziale Marktwirtschaft (FÖS), erklärt. So gilt eine Fördermaßnahme erst dann als Subvention, wenn sie für eine eingegrenzte Gruppe wirkt. „Diesel wird beispielsweise geringer besteuert als Benzin. Der dabei entstehende Preisunterschied ist eigentlich eine klimaschädliche Subvention, zugunsten des Diesels. Das wertet die Bundesregierung aber nicht so, weil die Vergünstigung pauschal und nicht für eine bestimmte Gruppe gilt.“

Alleine das Dieselprivileg aus Fiedlers Beispiel kostet den Bund jährlich acht Milliarden Euro. 54 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen tauchen insgesamt nicht im Bericht des Finanzministeriums auf, jährlich. Das kam bei einem Vergleich des FÖS mit einer Studie des Umweltbundesamtes aus 2021 heraus.

Auf Nachfrage des Freitag, warum das Bundesfinanzministerium sich für die gewählte Definition des Begriffs „Subvention“ entschieden hat, erklärt ein Sprecher lediglich, dass diese durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz —ein Gesetz aus 1967— festgelegt worden........

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