Die Nacht war dunkel, doch an der Endhaltestelle Fürstenstraße im Südwesten von Berlin leuchtete es taghell. In Lichterfelde brannte ein Doppeldeckerbus der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), der gerade noch auf der Linie M85 Fahrgäste befördert hatte, gegen 3 Uhr lichterloh. Noch immer ist ein Gutachter dabei, die Ursache zu erforschen. Nach Informationen der Berliner Zeitung hat er inzwischen Hinweise gefunden, dass eine beunruhigende Hypothese stimmen könnte: Wurde das Feuer in Bus 3709 gelegt?

Es liegen Erkenntnisse vor, die auf Brandstiftung hindeuten, hieß es jetzt in Unternehmenskreisen. Danach wäre die Ursache nicht in der Technik des Busses zu verorten, der Impuls soll von außerhalb dieser Bereiche gekommen sein. Von einem Fahrgast, der an jenem frühen Sonnabendmorgen in dem Bus saß und ihn dann verließ? Der Diesel-Dreiachser, gerade erst fünf Monate bei der BVG, erlitt einen Totalschaden. Der Bus hatte rund 500.000 Euro gekostet und war erst im August 2023 geliefert worden.

Kurz nach dem Brand vom 20. Januar preschte die Berliner Polizei vor. Ein technischer Defekt sei die Ursache, gab sie damals bekannt. Die BVG untersuchte die anderen Doppeldeckerbusse des britischen Herstellers Alexander Dennis Limited, kurz ADL, auf Fehler und Mängel. Doch dabei konnte sie keine akuten Brandgefahren feststellen, teilte der Senat mit. Unterdessen hat der Brandgutachter seine Tätigkeit fortgesetzt – mittlerweile allerdings mit einem anderen Fokus, wie die Berliner Zeitung erfuhr.

„Die Brandursache wird derzeit durch einen unabhängigen Gutachter untersucht“, teilte BVG-Sprecher Nils Kremmin mit. Er äußerte sich auch zu Hinweisen, wonach Mängel zu dem Feuer am S-Bahnhof Lichterfelde Süd beigetragen haben könnten. So berichteten BVG-Mitarbeiter, dass in den Technikbereichen einiger Busse nicht ordnungsgemäß montierte Kabel, zum Teil mit nicht isolierten Enden, gefunden worden seien. In Bus 3709 habe es einen Kurzschluss gegeben, der den Brand auslöste, folgerten sie. Dazu Kremmin: „Fehlende Bauteile oder nicht isolierte Kabel kann die BVG nicht bestätigen.“

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Lange Zeit hatte die BVG gezögert, eine neue Serie von Doppeldeckerbussen zu bestellen. Natürlich weiß man bei dem Landesunternehmen, dass „Große Gelbe“ seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören. Zudem sind sie bei den Fahrgästen beliebt, weil sie nicht nur gute Aussichten, sondern auch zahlreiche Sitzplätze bieten. Allerdings sind Doppeldecker teure Exoten, die größtenteils in Handarbeit gefertigt werden müssen.

Mit den MAN Lion’s City DD, von denen das Landesunternehmen bis 2010 mehr als 400 Exemplare bekam, machte die BVG jedenfalls anfangs keine guten Erfahrungen. Es waren viele Nachbesserungen nötig. Wie beim Vorgängertyp SD 202 begann schon bald Rost an den Karosserien zu nagen. Besonders sparsam waren diese Busse auch nicht: Pro hundert Kilometer brauchen sie im Schnitt 65 bis 70 Liter Diesel.

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Schließlich fiel dann doch die Entscheidung, neue Doppeldecker zu ordern – allerdings nur 200. 2016 begann das Vergabeverfahren. Nachdem kurze Versionen getestet wurden, entschied sich die BVG, dann doch 13,8 Meter lange Fahrzeuge zu kaufen, die ungefähr so viele Fahrgäste fassen können wie ihre Vorgänger: fast 130. Nachdem ADL zwei Prototypen geliefert hatte, kamen ab Ende 2022 die Serienfahrzeuge von der britischen Insel nach Berlin. Seitdem im vergangenen Oktober der letzte MAN-Doppeldecker für die BVG durch die Hauptstadt gerollt war, führen sie allein die Tradition der großen Busse fort. Sie verbrauchen auf hundert Kilometer zwischen 55 und 60 Liter Diesel.

Doch immer wieder wird berichtet, dass die Enviro 500 in vielen Fällen Technikprobleme nach Berlin mitgebracht hätten. So hätten die Doppeldeckerbusse bei Lieferung an die BVG im Schnitt 24 bis 30 Mängel. Berichtet wurde, dass in einigen Fällen Keilriemen fehlten und auch andere Teile nicht an ihrem Ort waren.

Ein BVG-Mitarbeiter habe berichtet, dass es immer wieder Probleme mit Wassereinbrüchen über dem Fahrerplatz gab, sagte ein Kenner der Busszene. „So will ein Fahrer erlebt haben, dass sich während der Fahrt in der Senke hinter der Frontscheibe eine Pfütze bildete und Wasser in jeder Kurve hin und her schwappte.“ Fehlerhaft verarbeiteter Fußbodenbelag soll ein weiteres Thema sein. Derzeit seien Fehlermeldungen der Elektrik das Hauptproblem. Ihnen müsse aufwendig nachgegangen werden, doch stellten sich die Anzeigen als Falschmeldungen heraus.

„Vergleicht man die ersten Betriebsjahre der MAN-Doppeldecker mit den aktuellen ADL, so gibt es keine nennenswerten Unterschiede in Bezug auf die Zuverlässigkeit“, entgegnete Nils Kremmin. Es hätten sich rund 30 Arten von Problemen herauskristallisiert. „Diese kommen selbstverständlich nicht alle an einem Fahrzeug vor“, sagte er. Dass es Technikthemen gibt, wäre zu Beginn nicht ungewöhnlich: „Berliner Doppeldecker sind stets Sonderanfertigungen. Die BVG steht mit ADL zur Abstimmung von Nachbesserungen und Mängelbeseitigungen in engem Austausch.“

Das Landesunternehmen bestätigte allerdings, dass derzeit nur rund die Hälfte der Flotte tatsächlich zur Fahrgastbeförderung eingesetzt wird. Die übrigen ADL-Fahrzeuge sind außer Betrieb. „Stand heute sind über 100 Doppeldecker im Einsatz, Tendenz steigend“, so Kremmin. „An den restlichen Bussen werden im Moment entweder routinemäßige Wartungen oder unterschiedliche Garantiearbeiten durch den Hersteller durchgeführt. Dazu kommen klassische Reparaturen, etwa nach Unfällen.“

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Zu den Linien, auf denen die BVG Doppeldecker einsetzt, gehören die M19, M29, M82, 101, 181, 186, 282 und 285. Bei BVG-Mitarbeitern gibt es übrigens auch Lob für die Briten, wie zu erfahren war. „Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder mit mir bekannten Fahrern und Fahrerinnen zu den ADL unterhalten“, sagte der Busexperte, mit dem sich die Berliner Zeitung austauschte. „Fazit ist, dass sich die Busse – wenn sie fahren – gut fahren lassen und einfach im Umgang sein sollen.“

Auch in der Berliner Bus-Fanszene wird darüber diskutiert, was zu dem ersten öffentlich bekannt gewordenen Brand eines ADL-Doppeldeckers der BVG geführt haben könnte. Schon kurz nach dem Feuer lautete die Analyse, dass der Brand in Wagen 3709 nicht im Motorbereich entstanden ist. Der Brandherd lag offenbar nicht im Heck. Auf einem Amateurvideo ist zu sehen, dass das Feuer wohl oberhalb des letzten Türpaares ausbrach. Das könnte tatsächlich damit zu tun haben, dass die Elektrik fehlerhaft war. Nun warten auch Busfans gespannt auf den offiziellen Bericht des Brandgutachters.

QOSHE - Feuer in BVG-Doppeldeckerbus: Jetzt gibt es Hinweise auf Brandstiftung - Peter Neumann
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Feuer in BVG-Doppeldeckerbus: Jetzt gibt es Hinweise auf Brandstiftung

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24.04.2024

Die Nacht war dunkel, doch an der Endhaltestelle Fürstenstraße im Südwesten von Berlin leuchtete es taghell. In Lichterfelde brannte ein Doppeldeckerbus der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), der gerade noch auf der Linie M85 Fahrgäste befördert hatte, gegen 3 Uhr lichterloh. Noch immer ist ein Gutachter dabei, die Ursache zu erforschen. Nach Informationen der Berliner Zeitung hat er inzwischen Hinweise gefunden, dass eine beunruhigende Hypothese stimmen könnte: Wurde das Feuer in Bus 3709 gelegt?

Es liegen Erkenntnisse vor, die auf Brandstiftung hindeuten, hieß es jetzt in Unternehmenskreisen. Danach wäre die Ursache nicht in der Technik des Busses zu verorten, der Impuls soll von außerhalb dieser Bereiche gekommen sein. Von einem Fahrgast, der an jenem frühen Sonnabendmorgen in dem Bus saß und ihn dann verließ? Der Diesel-Dreiachser, gerade erst fünf Monate bei der BVG, erlitt einen Totalschaden. Der Bus hatte rund 500.000 Euro gekostet und war erst im August 2023 geliefert worden.

Kurz nach dem Brand vom 20. Januar preschte die Berliner Polizei vor. Ein technischer Defekt sei die Ursache, gab sie damals bekannt. Die BVG untersuchte die anderen Doppeldeckerbusse des britischen Herstellers Alexander Dennis Limited, kurz ADL, auf Fehler und Mängel. Doch dabei konnte sie keine akuten Brandgefahren feststellen, teilte der Senat mit. Unterdessen hat der Brandgutachter seine Tätigkeit fortgesetzt – mittlerweile allerdings mit einem anderen Fokus, wie die Berliner Zeitung erfuhr.

„Die Brandursache wird derzeit durch einen unabhängigen Gutachter untersucht“, teilte BVG-Sprecher Nils Kremmin mit. Er äußerte sich auch zu Hinweisen, wonach Mängel zu dem Feuer am S-Bahnhof........

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