Nicht alle westlichen Unternehmen verlassen Russland so schnell, wie sie es zuvor angekündigt haben. Vor allem im Bereich der Finanzdienstleistungen ist offenbar die Versuchung zu groß, nach dem Rückzug der Konkurrenten die Marktlücke zu füllen. Oder es gibt rechtliche Hindernisse.

So hätten die größten noch dort verbliebenen westlichen Banken in Russland im vergangenen Jahr mehr als 800 Millionen Euro an Steuern gezahlt, geht aus einem neuen Bericht der britischen Zeitung Financial Times (FT) hervor. Das entspreche einer Vervierfachung gegenüber dem Vorkriegsniveau, obwohl diese Banken versprochen hatten, ihr Russland-Engagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu minimieren, heißt es.

Neben der österreichischen Raiffeisen Bank International, der italienischen UniCredit und Intesa Sanpaolo, der niederländischen ING sowie der ungarischen OTP sind auch die Deutsche Bank sowie die Commerzbank aus Deutschland mit dabei. Alle zusammen hatten 2023 nach FT-Angaben einen gemeinsamen Gewinn von mehr als drei Milliarden Euro gemeldet.

Diese Gewinne sollen wiederum dreimal so hoch sein wie im Jahr 2021 und wurden nur teilweise durch Gelder erwirtschaftet, die die Banken nicht aus dem Land abziehen können. Der Gewinnsprung habe dazu geführt, dass die europäischen Banken etwa 800 Millionen Euro an Steuern an den russischen Staat überwiesen hätten, gegenüber „nur“ 200 Millionen Euro im Jahr 2021. Nicht berücksichtigt sind hier noch die Gewinne der amerikanischen Kreditgeber wie Citigroup und JPMorgan.

•vor 3 Std.

27.04.2024

27.04.2024

Wie ist das möglich? Die Deutsche Bank will mit diesem drastischen Zuwachs allerdings nichts zu tun haben. „Seit 2014 haben wir unser Engagement in Russland verringert und machen kein Neugeschäft“, teilt eine Sprecherin der Bank auf Anfrage mit. Aktuell fahre die Deutsche Bank ihr verbleibendes Geschäft in Russland herunter, heißt es.

„In voller Übereinstimmung mit den Sanktionsvorschriften helfen wir unseren Kunden weiterhin, ihren Geschäftsbetrieb mit Russland-Bezug zu reduzieren.“ Längst bestehende Verträge dürfe die Bank nach dem Gesetz nicht einfach so kündigen, denn es bestünden Verpflichtungen gegenüber den Kunden. Gleichzeitig sei es unmöglich, bei der Deutschen Bank einen neuen Kredit in Russland aufzunehmen.

Die Bank will das Engagement in Russland auf diese Weise von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 und im Jahr 2023 weiter auf 1,2 Milliarden Euro gesenkt haben. Die Anzahl der Mitarbeiter der Deutschen Bank in Russland sei von 1722 Personen Ende 2021 auf nur noch 179 Ende 2023 gesunken, zeigt auch ein Vergleich der FT.

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Auch die Commerzbank will seit Beginn des russischen Angriffskrieges ihre Geschäftsaktivitäten in Russland deutlich eingeschränkt, ihr Risikogeschäft kontinuierlich reduziert und das Neugeschäft eingestellt haben. Die Anzahl der Commerzbank-Mitarbeiter in Russland soll sich allerdings mit einem leichten Rückgang von 136 Personen Ende 2021 auf 126 Angestellte Ende 2023 nur unwesentlich geändert haben.

Warum steigen aber die Gewinne, wenn die Geschäfte der deutschen Banken kräftig abgebaut werden? Im ersten Kriegsjahr hatte sich der Gewinn der russischen Tochter der Deutschen Bank trotz einer rückläufigen Bilanzsumme 2022 fast versechsfacht und war auf 60 Millionen Euro gestiegen, wie aus einem unabhängigen Wirtschaftsprüfungsbericht hervorging.

Fakt ist, dass die ausländischen Kreditgeber von höheren Zinssätzen in Russland profitieren. Sogenannte schwimmende Zinssätze für bereits vor dem Krieg vergebene Kredite ermöglichen höhere Gewinne. Schon Ende Februar 2022 erhöhte die russische Zentralbank den Leitzins auf 20 Prozent und senkte ihn schrittweise bis Ende Juli auf acht Prozent. Aktuell liegt der russische Leitzins seit dem Dezember des vergangenen Jahres unverändert bei 16 Prozent gegenüber 4,5 Prozent in der Eurozone.

Auch internationale Sanktionen gegen russische Banken verhalfen den westlichen Banken in Russland, deren Geschäfte ihrerseits nicht von Sanktionen betroffen sind, zu höheren Gewinnen. Da die russischen Konkurrenten den Zugang zu internationalen Zahlungssystemen verloren, stieg die Attraktivität westlicher Banken für Kunden in Russland.

Und das nützt vor allem der russischen Tochter der österreichischen Raiffeisen Bank. Vor kurzem sorgte die Bank mit mehr als 2400 neuen Stellenanzeigen für in Russland ansässige Stellen für Verwirrung, wie die FT berichtete. Der unerwartete Stellenaufbau deutete ehrgeizige Wachstumspläne im Land an, was im Widerspruch zu ihrer offiziellen Zusage stand, aus dem Markt auszutreten.

In einer Stellenausschreibung hieß es etwa, dass die „Hauptziele eine mehrfache Erweiterung des aktiven Kundenstamms und ein stabiles zweistelliges Einkommenswachstum“ seien. Die Anzahl der Mitarbeiter der Bank soll laut einer FT-Einschätzung von 9327 Ende 2021 auf 9942 Ende 2023 gestiegen sein.

Die Raiffeisen-Zentrale in Wien kündigte daraufhin „eine sofortige Untersuchung“ an und versprach, das Russlandgeschäft weiterhin abzubauen. Gleichzeitig betonten die Raiffeisen-Führungskräfte, dass sie sich in einer prekären, aber unvermeidlichen Situation befänden: Die in Russland erzielten Gewinne können nicht repatriiert, also dem Mutterkonzern zugeschlagen werden, und jeder Verkauf ihres Geschäfts würde die Zustimmung des Kremls erfordern.

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Millionen Euro an Steuern in Russland gezahlt? Deutsche Banken erklären sich

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29.04.2024

Nicht alle westlichen Unternehmen verlassen Russland so schnell, wie sie es zuvor angekündigt haben. Vor allem im Bereich der Finanzdienstleistungen ist offenbar die Versuchung zu groß, nach dem Rückzug der Konkurrenten die Marktlücke zu füllen. Oder es gibt rechtliche Hindernisse.

So hätten die größten noch dort verbliebenen westlichen Banken in Russland im vergangenen Jahr mehr als 800 Millionen Euro an Steuern gezahlt, geht aus einem neuen Bericht der britischen Zeitung Financial Times (FT) hervor. Das entspreche einer Vervierfachung gegenüber dem Vorkriegsniveau, obwohl diese Banken versprochen hatten, ihr Russland-Engagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu minimieren, heißt es.

Neben der österreichischen Raiffeisen Bank International, der italienischen UniCredit und Intesa Sanpaolo, der niederländischen ING sowie der ungarischen OTP sind auch die Deutsche Bank sowie die Commerzbank aus Deutschland mit dabei. Alle zusammen hatten 2023 nach FT-Angaben einen gemeinsamen Gewinn von mehr als drei Milliarden Euro gemeldet.

Diese Gewinne sollen wiederum dreimal so hoch sein wie im Jahr 2021 und wurden nur teilweise durch Gelder erwirtschaftet, die die Banken nicht aus dem Land abziehen können. Der Gewinnsprung habe dazu geführt, dass die europäischen Banken etwa 800 Millionen Euro an Steuern an den russischen Staat überwiesen hätten, gegenüber „nur“........

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