Bald feiert Oskar Manigk seinen Neunzigsten. Den wird der agile Künstler an seinem Musen-Ort Ückeritz auf Usedom feiern. Aber vor Ostern eröffnet eine Ausstellung in der Berliner Galerie Parterre.

Der Anlass: Manigk erhält am Gründonnerstag den Preis für Zeichnung, benannt nach dem unvergesslichen, so virtuosen wie kauzigen Ost-Berliner Zeichner-Original Egmont Schaefer.

Virtuos und kauzig kann Manigk auch! Zudem witzig, komisch bis zum Absurden. Und ironisch bis sarkastisch. Jeder Strich, jede Pinselkontur sitzt, als knappes, leidenschaftliches, expressives und zugleich stilistisch lässiges Statement zurzeit und zum Zustand der Gesellschaft – „singulär, frei von jeder Vorgabe, allein von seinem Einfall, Gedankenblitz und seiner Geistesgegenwart getragen“, wie der Kunsthistoriker Eugen Blume über Manigk schreibt.

Das Comicartig-Subversive – ein Mix aus figürlich, abstrakt, Pop-artig, surreal und dazwischen bissige Wortfetzen – ist typisch für die Bildsprache des Künstlers, der sich eine ebenso typische Berliner Sehnsucht erfüllen konnte: vorne das Steinerne Berlin – und hinten die Ostsee. Oder öfter auch umgekehrt, denn Manigk verbrachte die Kindheit auf Usedom, weil da schon sein Vater Otto Manigk, Teil der „Usedomer Schule“ malte.

Dann studierte der Sohn in Berlin-Weißensee und pendelt seit Jahrzehnten „freischaffend“ zwischen beiden „Landschaften“. Seine erste Ausstellung in Heringsdorf wurde wegen „dekadenter westlicher Malweise“ und der unverhohlenen Kritik am vormundschaftlichen Staat DDR zum Ermittlungsgegenstand der Stasi. Schlimmeres ist ihm nicht mehr passiert, denn bald fiel die Mauer.

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22.03.2024

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24.03.2024

24.03.2024

Seit 1970 betrieb Oskar Manigk, der gelernte Tischler, die kosmopolitische „Mail Art“, die sein früh verstorbener Pankower Künstlerfreund Robert Rehfeldt nach dem Vorbild des Amerikaners Ray Johnson in Berlin kreiert hatte. Vor allem für Künstler im Ostblock waren die kreativen Postkarten simple Underground-Kunst, ein politisches Medium des Widerspruchs und Mittel zur grenzübergreifenden Vernetzung. Manigk zeichnete, schrieb, verschickte seit 50 Jahren zahllose Zeichner-Karten und - Briefe. Vieles davon erschien in Editionen. Zusammen mit Vers-Geschmiedetem, in dem die Leidenschaft für den hintersinnigen Alltagsphilosophen Wilhelm Busch aufscheint. Der Zeichner spottete nach der Wiedervereinigung: „Freunde, lasst uns unser Denken auf die Konsumgüter lenken.“

Vernissage/Preisverleihung, Galerie Parterre, Danziger Str. 101, Do 28. März, 19 Uhr, Schau bis 26. Mai, Di–So 13–21 Uhr, Do 10–22 Uhr.
Im Wohlrab-Verlag erscheint „Post von Oskar – Mailart und Postkarten“, Texte: Eugen Blume, Lutz Wohlrab, Oskar Manigk, Hsg. Usedomer Kunstverein, 29,80 Euro

QOSHE - Vorne Berlin und hinten die Ostsee: Die subtil-subversive Kunst des Oskar Manigk - Ingeborg Ruthe
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Vorne Berlin und hinten die Ostsee: Die subtil-subversive Kunst des Oskar Manigk

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26.03.2024

Bald feiert Oskar Manigk seinen Neunzigsten. Den wird der agile Künstler an seinem Musen-Ort Ückeritz auf Usedom feiern. Aber vor Ostern eröffnet eine Ausstellung in der Berliner Galerie Parterre.

Der Anlass: Manigk erhält am Gründonnerstag den Preis für Zeichnung, benannt nach dem unvergesslichen, so virtuosen wie kauzigen Ost-Berliner Zeichner-Original Egmont Schaefer.

Virtuos und kauzig kann Manigk auch! Zudem witzig, komisch bis zum Absurden. Und ironisch bis sarkastisch. Jeder Strich, jede Pinselkontur sitzt, als knappes, leidenschaftliches, expressives und zugleich stilistisch lässiges Statement zurzeit und zum Zustand der Gesellschaft – „singulär, frei von jeder Vorgabe, allein von........

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