Lutz Brandt liebte es groß. Der Meisterschüler und spätere Assistent des Malers Walter Womacka an der Kunsthochschule Weißensee bis 1980 war begeistert von der Kunst-am-Bau-Idee. Vorbild waren damals die „Murales“, die mexikanischen Fassadenbilder der 20er-Jahre und die in Kunstbänden auch in der DDR erschienenen bunten Fresken der berühmten „Muralisten“: Rivera, Orozco und Siqueiros.

Nur wollte der gelernte Bauzeichner (die Lehre hatte der 1938 in Berlin Geborene vor dem Mauerbau in Dortmund gemacht, ehe er nach Berlin zurückging, der Liebe wegen in den Ostteil zog und in Weißensee Architektur studierte) keine revolutionären Botschaften auf die Brandmauern malen. Ihm ging es darum, Moderne-Akzente in der nachkriegsgrauen Stadtlandschaft zu setzen. Diese „Akzente“ sind heute noch zu sehen, etwa an Giebeln in Weißensee und in Marzahn. Das geometrische Op-Art-Fassadenbild Warschauer Straße/Ecke Karl-Marx-Allee ließ ein tumber Investor nach 1990 leider verschwinden. Brandt arbeitete ebenso für die künstlerische Ausgestaltung von U- und S-Bahnhöfen, für Theater- und Film-Ausstattungen, schuf Illustrationen für Magazine. Kultstatus hat längst seine Poster-Serie mit Persiflagen des Kleinwagens Trabant.

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Aber 1984 kehrte er der DDR entnervt den Rücken: Zu eng sah er die Möglichkeiten für mehr Kunst am Bau, zu borniert waren die staatlichen Vorgaben, zu knapp die Mittel. Im Berliner Westen warteten Aufträge, in die keine Ideologen hineinredeten. Wer über die Avus in die Stadt fährt, sieht am Dreieck Funkturm eines seiner Wandbilder, in den U-Bahnhöfen Wittenbergplatz und Prinzenstraße ebenso. Nahe Kudamm prangt an einer Fassade riesig Brandts gleichsam biografische „Sprunghafte Abwendung“ von 1984, ein Selbstporträt, wie er über eine vergitterte Brücke in den Westen hüpft. Und für den Potsdamer Platz malte er das große Bild „Esplanade“.

Am Mittwoch, dem 7. Februar, erreichte uns über Freunde des Malers die Nachricht, dass Lutz Brandt bereits am 29. Januar in einem Berliner Krankenhaus gestorben war; er wurde 85 Jahre alt. Er hinterlässt nicht nur seine markanten Fassaden-„Akzente“ im Stadtraum. Er hatte in den letzten Jahrzehnten auch viel beachtete Ausstellungen weit über Berlin hinaus. Er nahm an drei Expo-Weltausstellungen teil: 1992 in Sevilla, 1998 in Lissabon, 2000 in Hannover.

Brandt stattete zudem den Film „Dinosaurs“ des Oscar-Preisträgers Ken Adam aus, arbeitete für Hochhuths „Lysistrata und die Nato“ am BE. Und im 1999 in der Parochialkirche an der Klosterstraße realisierten Projekt „Himmelfahrt“ inszenierte er in bizarren Flugzeugschrott-Szenen den Zwiespalt zwischen Technikfaszination und den Folgen für Mensch und Natur.

06.02.2024

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QOSHE - Einstiger DDR-Maler Lutz Brandt ist tot: Berliner Brandmauern und Häuserwände tragen seine „Akzente“ - Ingeborg Ruthe
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Einstiger DDR-Maler Lutz Brandt ist tot: Berliner Brandmauern und Häuserwände tragen seine „Akzente“

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08.02.2024

Lutz Brandt liebte es groß. Der Meisterschüler und spätere Assistent des Malers Walter Womacka an der Kunsthochschule Weißensee bis 1980 war begeistert von der Kunst-am-Bau-Idee. Vorbild waren damals die „Murales“, die mexikanischen Fassadenbilder der 20er-Jahre und die in Kunstbänden auch in der DDR erschienenen bunten Fresken der berühmten „Muralisten“: Rivera, Orozco und Siqueiros.

Nur wollte der gelernte Bauzeichner (die Lehre hatte der 1938 in Berlin Geborene vor dem Mauerbau in Dortmund gemacht, ehe er nach Berlin zurückging, der Liebe wegen in den Ostteil zog und in Weißensee Architektur studierte) keine revolutionären Botschaften auf die Brandmauern malen. Ihm ging es darum, Moderne-Akzente in der nachkriegsgrauen........

© Berliner Zeitung


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