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Fluch der Karibik mit den Drohnen Trumps

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Es sind fürchterliche Szenen, die sich am 2. September nahe der Küste Venezuelas ereigneten. Ein kleines Boot, das elf Menschen mit sich trägt, wird zum Ziel einer amerikanischen Reaper-Drohne. Hellfire-Raketen werden abgefeuert. Überlebende versuchen, sich am Schiffswrack festzuhalten. Wer diese Menschen sind und was in diesem Moment in ihnen vorgeht, weiß niemand. Dann holt der Operator des Predators (zu Deutsch “Raubtier”) wie ein Falke, der eine Maus jagt, zum zweiten Angriff aus. Nach einem Knopfdruck schlagen weitere Raketen, die wortwörtlich nach dem Feuer der Hölle benannt sind, in den blauen Ozean ein und löschen jene zwei Menschen, die sich am Schiffswrack ans Leben klammern wollten, vollständig aus. Auch sie waren für die Trump-Administration nur weitere „Drogenschmuggler“ oder „Narco-Terroristen“, über deren Leben die USA entscheiden dürfen. Dieser sogenannte “double tap strike”, den man in den letzten Jahren eher aus Ländern wie Afghanistan, Jemen, Pakistan oder auch aufgrund israelischer Angriffe im Gazastreifen kennt, war der erste amerikanische Drohnenangriff in der Karibik und sorgt seit einigen Tagen für viel Diskussion, weil das dazugehörige Videomaterial veröffentlicht wurde. Im Zentrum der Debatte steht US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der seit dem ersten Angriff im September mindestens 21 weitere Drohnenangriffe in internationalen Gewässern in der Karibik sowie im Ostpazifik absegnen ließ. Insgesamt wurden dabei mindestens 87 Menschen getötet.

Die besagte Operation vom vergangenen September verteidigte Hegseth in den letzten Tagen vehement, obwohl er, wie er sagte, den zweiten Angriff auf die Überlebenden nicht mehr mitbekommen hätte. Reue zeigte er allerdings nicht. "Ich hätte auch diesen Angriff genehmigt" , fügte der Minister hinzu. Hegseth prahlte dabei auch mit seinem mangelnden Unwissen.Dies wurde etwa deutlich, als er den erkennbaren Rauch nach dem Raketeneinschlag als “Die Taktik der Vernebelung” (“fog of war”) bezeichnete, obwohl mit diesem Ausdruck nicht der tatsächliche Rauch nach einer Explosion gemeint ist, sondern vielmehr unklare oder widersprüchliche Informationen über die Situation in einem Kriegsgebiet, denn so wurde es einst vom preußischen Militärtheoretiker Carl von Clausewitz in seinem Werk “Vom Kriege” formuliert. Doch derartige Details sowie ein grundlegendes Interesse an Fakten scheinen ohnehin nicht Teil des Trump-Kabinetts zu sein. Stattdessen setzt man hier, ähnlich wie der Präsident selbst, auf Eskalation und eklatante Rechtsbrüche, die jegliche internationale Ordnung in ihren Grundfesten erschüttern.........

© Wiener Zeitung