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Jung und wohnungslos: „Ich will nur zur Ruhe kommen“

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31.10.2025

Von draußen dringt das leise Brummen der Autos in den Workshopraum der Billrothstraße 9 in Döbling. Am Tisch sitzt eine junge Frau: Milena*. Ihr Hund wuselt um sie herum, sie nimmt ihn auf den Schoß, holt einmal tief Luft. Dann beginnt sie zu erzählen. Ruhig, gefasst, von ihrer Geschichte. Von einer Zeit, in der sie zwei geliebte Menschen verloren hat – und beinahe sich selbst.

Milenas Kindheit ist von einem abwesenden, gewalttätigen Vater geprägt. Und von einer inneren Unruhe, gepaart mit tiefer Traurigkeit: Oft sitzt sie allein in ihrem Zimmer, weint, denkt über den Sinn des Lebens nach. Schon früh sucht sie nach Wegen, die innere Leere zu betäuben. Sie kifft, nimmt chemische Substanzen, raucht schließlich Heroin. Dann folgt der erste Entzug. In der Klinik lernt sie ihren Freund kennen, draußen werden beide rückfällig. Kurz danach stirbt Milenas Mutter durch einen Unfall, ihr Freund verliert immer mehr die Kontrolle, spritzt sich das Gift heimlich. Fast jeden Abend sucht Milena nach der Arbeit auf der Gumpendorfer Straße nach ihm.

Wenige Monate nach dem Verlust ihrer Mutter wird ihre schlimmste Befürchtung wahr: Ihr Freund ist tot, gestorben an einer Überdosis. „Das war für mich der Moment, in dem alles zusammenbrach“, erinnert sich Milena. Sie zieht zurück in ihre Kindheitswohnung zu ihren Geschwistern, verfällt in eine schwere Depression, kämpft sich erneut durch Klinikaufenthalte und Therapien. „Ich habe meine Geschwister mit meinem Zustand sehr belastet. Irgendwann war klar, dass ich ausziehen muss“, erzählt sie.

Über eine Bekannte erfährt sie vom neunerhaus Billrothstraße, das als Chancenhaus wohnungs- und obdachlose Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren unterstützt. Doch Milena hat Angst. Angst, dass ihre Geschwister sie nach ihrem Auszug vergessen könnten. Angst, dass sie ohne sie keinen Grund zum Aufstehen findet. Schließlich greift sie zum Telefon und sagt: „Ich brauche dringend Hilfe. Ich muss mich........

© Wiener Zeitung