Horst Konrad macht uns von Anfang an klar, was wir von ihm haben können und was nicht. Wir, die WZ-Redakteur:innen Petra Tempfer und Bernd Vasari, wollen ihn für unsere fünfteilige Podcast-Doku „Galtür. Der weiße Tod" über das Lawinenunglück von 1999 interviewen. Doch Konrad will nicht aufgenommen werden. Mit einer energischen Handbewegung schiebt er das Mikrofon auf die Seite und sagt: „Schaut euch die Fotos an." Der ehemalige Fotograf des Bundesheeres hat die ersten Fotos des Lawinenunglücks von Galtür gemacht. Mehrere Stunden sind wir bei ihm, er reicht uns ein Foto nach dem anderen.

Und tatsächlich. Die Aussagekraft seiner Fotos ist so stark, dass es keiner Worte bedarf. Wir sehen die Zerstörungskraft der Lawine, die erschöpften Menschen, die mit meterlangen Sonden nach Verschütteten suchen, die Hubschrauber, mit denen die Tourist:innen aus Galtür evakuiert werden. Die Fotos, die Konrad damals gemacht hat, hat er uns zur Verfügung gestellt. Nun hat er uns auch einen Text geschickt, in dem er sich an die Momente und Tage nach dem Lawinenunglück erinnert:

„Die ersten Schritte führen mich vom Hubschrauberlandeplatz durch die menschenleeren Gassen Galtürs. Am Lawinenkegel besteige ich, bei blauem Himmel, die höchste Erhebung, um einen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Der Hügel war ein mit Lawinenschnee überlagertes Gebäude.

Die Augen nehmen einen unwirklich scheinenden großen, mit Neuschnee überzogenen, weißen Teppich wahr. Diese unwirklich erscheinende Fläche ist durch Erhebungen gestört und von dazwischenliegenden bunten Materialstrukturen unterbrochen. Mir kommt vor, als wären Minuten des Innehaltens vergangen! Eine völlige Stille umgibt mich. Aus der Ferne breitet sich die sofort zuordenbare Ton-Mischung der markant knatternden 212er (Hubschrauber, Anm. Redaktion) über die Talfläche aus.

Bevor die Suchmannschaft ankommt, durchstreife ich das örtliche Situationsgefüge, um das Geschehene aufzunehmen. Die Formveränderung von zerstörten Teilen der Gebäudestruktur lässt die aufgetroffene Gewalt der Schneemassen erahnen.

Lärm breitet sich langsam am Lawinenkegel aus, und die ersten Helfer organisieren sich am Rand des Lawinenkegels. Die Lawinensuchgeräte werden eingeschaltet, die Schaufeln und Sonden für die Suche vorbereitet. Die Lawinenhundeführer betreten mit ihren Suchhunden den Lawinenkegel. Von den Suchsektoren nehme ich die nicht laut, aber bestimmend ausgesprochenen Kommandos

„Stich, Schritt, Stich"

wahr. Damit beginnt die großflächig angelegte Verschütteten-Suche. Diese wird in der Folge mit Maschinenkraft vom Ratrac (Pistenraupe, Anm. Redaktion) und von Baufahrzeugen unterstützt.

Ich beginne, dokumentarisch die Abläufe der Hilfeleistung bildlich festzuhalten. Während des Einsatzes vom 23. bis zum 27. Februar ergaben sich 46 Themenbereiche. Die Aufnahmen entstanden mit einem Nikon F 3 Gehäuse und lichtstarken (1:2,8) Nikon Festbrennweiten von 24 mm bis 180 mm. In die Kamera wurden 36 Kleinbildfilme eingelegt, davon 10 SW- und 26 CO-Filme. Der Auslöser wurde 1.215-mal betätigt."

Vizeleutnant Horst Konrad

„Galtür. Der weiße Tod." ist ein fünfteiliger Dokumentar-Podcast der WZ zum Lawinenabgang von Galtür, den die WZ-Hosts Petra Tempfer und Bernd Vasari gestaltet haben. Die Folgen erscheinen von 16. Februar bis 15. März wöchentlich jeden Freitag auf wz.at und überall, wo es Podcasts gibt.

Trailer: Galtür. Der weiße Tod

Podcast-Folge 1: Galtür. Der weiße Tod. Es schneit

Podcast-Folge 2: Galtür. Der weiße Tod. Die Lawine

Instagram: Das Lawinenunglück in Galtür

Instagram: Lawinenwinter 1999

Instagram: Wie eine Lawine entsteht

QOSHE - Galtürs Fotograf: „Eine völlige Stille umgibt mich“ - Bernd Vasari
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Galtürs Fotograf: „Eine völlige Stille umgibt mich“

18 0
26.02.2024

Horst Konrad macht uns von Anfang an klar, was wir von ihm haben können und was nicht. Wir, die WZ-Redakteur:innen Petra Tempfer und Bernd Vasari, wollen ihn für unsere fünfteilige Podcast-Doku „Galtür. Der weiße Tod" über das Lawinenunglück von 1999 interviewen. Doch Konrad will nicht aufgenommen werden. Mit einer energischen Handbewegung schiebt er das Mikrofon auf die Seite und sagt: „Schaut euch die Fotos an." Der ehemalige Fotograf des Bundesheeres hat die ersten Fotos des Lawinenunglücks von Galtür gemacht. Mehrere Stunden sind wir bei ihm, er reicht uns ein Foto nach dem anderen.

Und tatsächlich. Die Aussagekraft seiner Fotos ist so stark, dass es keiner Worte bedarf. Wir sehen die Zerstörungskraft der Lawine, die erschöpften Menschen, die mit meterlangen Sonden nach Verschütteten suchen, die Hubschrauber, mit denen die Tourist:innen aus Galtür evakuiert werden. Die Fotos, die Konrad damals gemacht hat, hat er uns zur Verfügung........

© Wiener Zeitung


Get it on Google Play