Essen. Die aktuelle Kriminalitätsstatistik für NRW wirkt beunruhigend. Anlass für plumpen Populismus bietet sie aber nicht.

In Nordrhein-Westfalen hat die Polizei im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Straftaten erfasst, mehr als im Jahr zuvor. Besonders erschreckend: die Zunahme der Gewaltkriminalität. Aus dem Zahlenwerk der jüngsten Kriminalitätsstatistik einfache Erkenntnisse abzuleiten – alles wird schlimmer! –, wäre zwar nachvollziehbar, aber falsch.

Vor zehn Jahren wurden mehr Straftaten erfasst, was ein Indiz dafür ist, dass es auf lange Sicht nicht schlimmer, sondern besser geworden ist. Das gilt auch für die angeblich so drastische Zunahme der Jugendkriminalität. Vor einem Jahrzehnt war sie auf einem ähnlich hohen Niveau wie heute.

Und, nicht zu vergessen: Auch die Polizei weist darauf hin, dass die Anzeigebereitschaft deutlich gestiegen ist, was den Anstieg der erfassten Straftaten im Bereich der Gewaltkriminalität teilweise erklärt. Einfaches Beispiel: Kneipenschlägereien landeten früher nicht so häufig wie heute bei der Staatsanwaltschaft.

Der hohe Anteil von Ausländern in bestimmten Deliktbereichen ist auch darauf zurückzuführen, dass unter ihnen der Anteil potenzieller Delinquenten höher als in der deutschen Bevölkerung ist. Raub- und Diebstahlsdelikte werden naturgemäß vor allem von ärmeren Menschen begangen.

Kriminalität ist aber immer angsteinflößend und gesellschaftszersetzend. Deswegen wäre es verkehrt, beunruhigende Entwicklungen unter den Teppich zu kehren. Sie müssen klar und deutlich angesprochen werden. Genauso verkehrt ist es aber, einfache Antworten auf komplexe Probleme zu suchen. Das Feld der inneren Sicherheit ist eines, das so anfällig wie kaum ein anderes für plumpen Populismus ist.

Was nötig ist, sind präzise Analysen: Wo helfen soziologische und ökonomische Ansätze präventiv, wo muss die Polizei gestärkt werden, wo bedarf es der Nachschärfung von Gesetzen?

QOSHE - Kriminalität - nein, es ist nicht alles schlimmer geworden - Jan Jessen
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Kriminalität - nein, es ist nicht alles schlimmer geworden

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03.04.2024

Essen. Die aktuelle Kriminalitätsstatistik für NRW wirkt beunruhigend. Anlass für plumpen Populismus bietet sie aber nicht.

In Nordrhein-Westfalen hat die Polizei im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Straftaten erfasst, mehr als im Jahr zuvor. Besonders erschreckend: die Zunahme der Gewaltkriminalität. Aus dem Zahlenwerk der jüngsten Kriminalitätsstatistik einfache Erkenntnisse abzuleiten – alles wird schlimmer! –, wäre zwar nachvollziehbar, aber falsch.

Vor zehn Jahren........

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