Essen. Weltweit leben mehr Menschen in Autokratien als in Demokratien. Der Westen hat zu der Entwicklung durch seine Geopolitik beigetragen.

Weltweit ist die Demokratie auf dem Rückzug, die Zahl der autokratisch regierten Länder nimmt zu. Aktuell leben weniger Menschen in einer Demokratie als in einem Staat, in dem die Menschenrechte massiv beschnitten werden.

Der jüngste Bericht der Bertelsmann-Stiftung enthüllt keine Geheimnisse. Die Demokratie, so scheint es, hat ihren Glanz verloren. In Europa, aber auch weltweit. Es scheint, als habe das Zeitalter der Autokratie und des Nationalismus begonnen.

Der Westen hat viel zu dieser Entwicklung beigetragen. In den vergangenen Jahrzehnten sind seine Führer der Verlockung erlegen, jeden Interessenkonflikt zu einem Wertekonflikt zu überhöhen, um ihn besser verkaufen zu können.

Nahezu alle geopolitisch motivierten Kriege, in denen der Westen involviert war, waren Konflikte, in denen es offiziell um nichts weniger als Menschenrechte oder die Demokratie ging. Den Menschen in den Ländern, in die die Kriege getragen wurden, wurde ein glorreiche Zukunft versprochen. Tatsächlich liegen Länder wie Afghanistan oder der Irak am Boden.

Die desaströsen Folgen der verfehlten westlichen Geopolitik haben Auswirkungen. Die Demokratie hat ein massives Imageproblem. Dagegen hat sich das Image von autokratischen Ländern wie China, Russland oder dem Iran verbessert.

In Afrika ist China längst der größte Handelspartner. China baut Straßen und andere Infrastrukturprojekte. China hat bislang noch keinen Krieg begonnen und dennoch seinen geopolitischen Einfluss massiv ausgebaut.

China, aber auch die reichen Golfstaaten haben zudem gezeigt, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht zwangsläufig mit Demokratie verknüpft sein muss, wie es der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in seinem Bestseller „Ende der Geschichte“ von 1989 behauptet hatte.

Man muss nicht über den Tellerrand hinausschauen, um zu sehen, in welch schweren Fahrwassern die Demokratie ist. Der Aufstieg der AfD zeigt, wie dünn das Fundament unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung geworden ist.

QOSHE - Die Demokratie hat ihren Glanz verloren - Jan Jessen
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Die Demokratie hat ihren Glanz verloren

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19.03.2024

Essen. Weltweit leben mehr Menschen in Autokratien als in Demokratien. Der Westen hat zu der Entwicklung durch seine Geopolitik beigetragen.

Weltweit ist die Demokratie auf dem Rückzug, die Zahl der autokratisch regierten Länder nimmt zu. Aktuell leben weniger Menschen in einer Demokratie als in einem Staat, in dem die Menschenrechte massiv beschnitten werden.

Der jüngste Bericht der Bertelsmann-Stiftung enthüllt keine Geheimnisse. Die Demokratie, so scheint es, hat ihren Glanz verloren. In Europa, aber auch weltweit. Es........

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