Zum Klassentreffen müssen fast alle Schulkameraden von weit her anreisen. Kaum einer ist dort geblieben, wo er aufgewachsen ist. Das ist typisch für Generationen von Ostdeutschen, die in den 1990er Jahren in den Westen gezogen sind, weil sie dort besser bezahlt wurden oder anders gar keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze gefunden haben. Es gingen nicht selten die klügsten Köpfe, darunter insbesondere hochqualifizierte junge Frauen – ein Aderlass, dessen Folgen heute deutlich zu spüren sind.

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Zwischen 1992 und 2015 sind rund 527 000 Brandenburger in den Westen gezogen. Die fehlen nun schmerzlich. Denn es kommen Investoren, weil das Bundesland Sonnenenergie und Windkraft anbieten kann – und das hat allen Unkenrufen zum Trotz Zukunft. Offene Stellen mit Rückkehrern zu besetzen, ist eine Möglichkeit – und auch eine Art Wiedergutmachung an den Menschen, die eine schwere Zeit hatten, als sie in ihren Heimatstädten und -dörfern in den 1990er Jahren für überflüssig erklärt worden sind und sich im Westen behaupten mussten, wo sie selten mit offenen Armen empfangen worden sind und viel zu oft schief angesehen und belächelt wurden.

Es wird aber nicht ausreichen, Arbeitsstellen, Wohnungen und Kitaplätze anzubieten. Es werden nicht alle heimkehren. So mancher hat sich im Westen etabliert, einen Partner gefunden, ein Haus gebaut. Um das Geburtendefizit auszugleichen, braucht es Zuwanderung. Doch wer wird sich auf den Weg in die Lausitz machen, wenn er im Fernsehen sieht und in den Zeitungen liest, dass diese Gegend eine AfD-Hochburg ist und dort ein fremdenfeindlicher Verein »Zukunft Heimat« sein Unwesen treibt? Die Lausitz hat durchaus eine Perspektive, aber so verspielt sie ihre Zukunftschancen. Viele Einheimische sehen diese Gefahr nicht. Doch es nützt nichts, die Augen davor zu verschließen. Dass SPD und CDU mittlerweile auch auf Abschottung setzen, ist kurzsichtig und nicht weiter gedacht als bis zur Landtagswahl im September 2024.

QOSHE - Fachkräftemangel in Brandenburg: Zurück in die Zukunft - Andreas Fritsche
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Fachkräftemangel in Brandenburg: Zurück in die Zukunft

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27.12.2023

Zum Klassentreffen müssen fast alle Schulkameraden von weit her anreisen. Kaum einer ist dort geblieben, wo er aufgewachsen ist. Das ist typisch für Generationen von Ostdeutschen, die in den 1990er Jahren in den Westen gezogen sind, weil sie dort besser bezahlt wurden oder anders gar keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze gefunden haben. Es gingen nicht selten die klügsten Köpfe, darunter insbesondere hochqualifizierte junge Frauen – ein Aderlass, dessen Folgen heute deutlich zu spüren sind.

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