Marcus Brandt/dpa

Hamburger Hafen (2.12.2021)

Die schlechte Stimmung »verfestigt sich«. Das stellt die DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer) fest. Sie ist die breiteste Organisation der deutschen Kapitalisten und dürfte über deren Einschätzung einigermaßen gut Bescheid wissen. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent im vergangenen Jahr rechnet die DIHK mit einem Minus von 0,5 Prozent für 2024. Als Geschäftsrisiken nennen die Unternehmer die hohen Energiepreise, den Fachkräftemangel, die schwache Inlandsnachfrage sowie die hohen Arbeitskosten. Ihre Investitionen wollen sie mehrheitlich zurückfahren. Bei den Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate rechnen 35 Prozent der Firmen mit einer Verschlechterung.

Unternehmer klagen gern, auch wenn die Lage prima ist. In diesem Fall muss man ihnen aber recht geben. Die Verfassung der deutschen Volkswirtschaft ist schlecht, der Trend ist weiter abwärts gerichtet, und im Vergleich zu anderen Ländern ist die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland besonders mies. Nicht alles ist der besonders inkompetent agierenden Regierung anzulasten. Beklagt werden seit fast einem Jahrzehnt die bröckelnde Infrastruktur (Verkehr, Bildungswesen, Gesundheit), die insgesamt schwache Bautätigkeit, besonders im Wohnungsbau, die seit langem zurückbleibende Inlandsnachfrage, die schleichende Deindustrialisierung und speziell die Umrüstung der größten Branche, dem Fahrzeugbau, zur Elektromobilität.

Dazu kam der auch in kapitalistischer Hinsicht irrationale Schwenk von relativ günstigem Energieimport zu teurem und umweltschädlichen Frackinggas und die drastische Ausweitung unproduktiver Rüstungsausgaben. Beides beschleunigt den Prozess der Deindustrialisierung. Das Ganze wird verschärft durch die hohen Zinsen, die den eigentlich notwendigen Investitionsschub in die beschworene grüne Umgestaltung, in die Infrastruktur, Wohnungsbau und Verkehr ganz unwahrscheinlich machen.

Der Plan der Ampelregierung, einen Teil des Nachfrage- und Produktionsausfalls durch enorme staatliche Subventionen à la Joseph Biden in den USA ausgleichen zu können, ist durch das Urteil des Verfassungsgerichts zur Schuldenbremse seinerseits gebremst worden. Scholz, Habeck und Lindner werden selbst zu Pessimisten. Habeck charakterisiert die Wirtschaftslage als »dramatisch schlecht«. Wenigstens in diesem Punkt hat er recht. Aber von einem Vorschlag, wie man aus der Lage entkommen kann, sind er und diese Regierung noch Lichtjahre entfernt.

QOSHE - Ampel verschärft Krise - Lucas Zeise
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Ampel verschärft Krise

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15.02.2024

Marcus Brandt/dpa

Hamburger Hafen (2.12.2021)

Die schlechte Stimmung »verfestigt sich«. Das stellt die DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer) fest. Sie ist die breiteste Organisation der deutschen Kapitalisten und dürfte über deren Einschätzung einigermaßen gut Bescheid wissen. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent im vergangenen Jahr rechnet die DIHK mit einem Minus von 0,5 Prozent für 2024. Als Geschäftsrisiken nennen die Unternehmer die hohen Energiepreise, den Fachkräftemangel, die schwache Inlandsnachfrage sowie die hohen Arbeitskosten. Ihre Investitionen wollen sie........

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