Ilia Yefimovich/dpa

Israelische Polizeibeamte bei einem Geisel- und Gefangenenaustausch zwischen der Hamas und Israel (Jerusalem, 26.11.2023)

Israel hat der Hamas angeblich einen neuen »Deal« angeboten, durch den in drei Etappen alle am 7. Oktober entführten Israelis, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, freikommen sollen. Im Gegenzug soll eine nicht bekannte Zahl von Palästinensern aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Zur Abwicklung des Austausches sei Israel bereit, eine Waffenruhe von bis zu zwei Monaten Dauer zu vereinbaren, wird behauptet.

Ob und wie weit diese Geschichte stimmt, ist ungewiss. Gemeldet hat sie am Montag die Nachrichtenagentur Axios, die in der Umgebung der US-Hauptstadt Washington, D. C., und rein zufällig ganz nah beim CIA-Hauptquartier in Langley liegt. Bestätigt ist bisher nur, wie Benjamin Netanjahu am selben Tag Angehörigen der Geiseln mitteilte, dass es einen neuen israelischen Vorschlag gibt, zu dessen Inhalt der Premierminister aber nichts sagen wollte.

Auf israelischer Seite geht es – nach einem ersten Gefangenenaustausch im November – jetzt noch um etwas mehr als 100 Menschen. Die erklärte Position der Hamas ist, dass sie einem zweiten »Deal« nur nach Vereinbarung eines kriegsbeendenden Waffenstillstands, der auch den Abzug aller israelischen Truppen aus dem Gazastreifen vorsieht, zustimmen will. Dieser Waffenstillstand müsste von den USA und mehreren Staaten des Nahen Ostens garantiert werden, so dass die israelische Regierung es zumindest sehr schwer hätte, den Krieg nach Abwicklung des Austausches gleich wieder aufzunehmen.

Nach übereinstimmenden Äußerungen israelischer Militärs wäre es unmöglich, eine relevante Zahl von Geiseln gewaltsam zu befreien. Bisher ist das nur in einem einzigen Fall – es ging um eine Soldatin – gelungen. Die meisten Entführten werden vermutlich an unbekannten Plätzen in dem mehrere hundert Kilometer langen Tunnelsystem unterhalb des Gazastreifens gefangengehalten. Solange die Geiseln nicht frei sind, können die israelischen Streitkräfte ihre öffentlich erörterten Pläne, die Tunnel mit Meerwasser zu fluten oder Gas hineinzupumpen, nicht in die Tat umsetzen. Aber ohne solche Hilfsmittel wäre es äußerst schwierig, langwierig und verlustreich, sich in den engen Gängen voranzukämpfen.

Umgekehrt gilt: Sobald Netanjahu und seine ultrarechten Koalitionspartner auf die im Gazastreifen gefangengehaltenen Israelis keine Rücksicht mehr nehmen müssen, würden sie ihre Kriegführung mit noch mehr Brutalität und noch mehr zivilen Opfern fortsetzen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die palästinensische Seite sich auf den neuen israelischen Vorschlag, wie immer er auch genau aussieht, einlassen wird. Vielleicht will Netanjahu auch gar nicht mehr erreichen, als dies vor der internationalen Öffentlichkeit und vor seinem heimischen Publikum, vor allem aber gegenüber den Familienangehörigen, Freunden und Kollegen der Geiseln zu demonstrieren.

QOSHE - Deal oder kein Deal - Knut Mellenthin
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Deal oder kein Deal

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23.01.2024

Ilia Yefimovich/dpa

Israelische Polizeibeamte bei einem Geisel- und Gefangenenaustausch zwischen der Hamas und Israel (Jerusalem, 26.11.2023)

Israel hat der Hamas angeblich einen neuen »Deal« angeboten, durch den in drei Etappen alle am 7. Oktober entführten Israelis, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, freikommen sollen. Im Gegenzug soll eine nicht bekannte Zahl von Palästinensern aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Zur Abwicklung des Austausches sei Israel bereit, eine Waffenruhe von bis zu zwei Monaten Dauer zu vereinbaren, wird behauptet.

Ob und wie weit diese Geschichte stimmt, ist ungewiss. Gemeldet hat sie am Montag die Nachrichtenagentur Axios, die in der Umgebung der US-Hauptstadt........

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