Drehen wir den Spieß doch einmal um. Nur zwei Tage liegen in diesem Jahr zwischen Vater- und Muttertag. Der Vatertag findet sogar vor dem Muttertag statt. Man stelle sich da einmal Väter vor, die morgens von ihren Kindern einen Strauß Blumen, Parfum und Selbstgebasteltes in die Hand gedrückt bekommen. Es gibt Brötchen. Und dann ist eigentlich alles wie immer.
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Das könnte dann so aussehen: Väter pilgern mit ihren Kindern im Bollerwagen zum Spielplatz. Der Rucksack ist voll mit Saftschorle statt Bierdosen, wie es sonst die „Tradition“ verlangt. Väter achten darauf, dass der Nachwuchs ausreichend trinkt, vor Sonne und Regen geschützt ist, sich nicht verletzt, gut ins Spielen findet. Väter machen Smalltalk mit anderen Vätern. Vermitteln, wenn sich alle Kinder plötzlich auf dieselbe Schaukel stürzen.
Väter haben den Zeitplan im Blick. Kredenzen pünktlich um zwölf Mittagessen. Helfen beim Händewaschen, Zähneputzen, Windelnwechseln, Klogang. Begleiten Kleinkinder in den Mittagsschlaf, machen den Größeren ein Hörspiel an. Dösen schließlich selbst kurz auf dem Sofa ein. Es ist ja schließlich Vatertag. Küche aufräumen, Geburtstagsgeschenke organisieren, etwas Berufliches erledigen? Das kann ausnahmsweise mal warten.
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Man stelle sich einen Muttertag vor, an dem Mütter morgens vielleicht Blumen, Brötchen und eine „Schön, dass es dich gibt“-Karte ans Bett gereicht bekommen – sofern die Kinder darauf Lust haben. An dem in jedem Fall klar ist: Heute stehen ihre eigenen Bedürfnisse an erster Stelle. Es gibt keinen Spielplatzbesuch – zumindest nicht für die Mutter. Kein Gefühl, ständig für alles verantwortlich zu sein, keine To-do-Liste. Um mal im Bild zu bleiben: Es wäre ein Muttertag, an dem Mütter mit dem Bollerwagen losziehen. An dem sie Spaß haben. Tun, was sie wollen, so lange, wie sie es eben wollen.
Es gibt sicherlich aktiv Kinder betreuende Mütter, die ihren Muttertag genau so gestalten. Die auch an den anderen 364 Tagen im Jahr solche Zeiten haben, wo sie einfach mal nur nach ihren eigenen Bedürfnissen leben. Sicherlich gibt es auch Väter, die am Vatertag und auch sonst genau das machen, was Mütter eh schon immer und auch am Muttertag tun. Die alles erledigen, was so anfällt, wenn man Kinder hat. Der Standard ist das aber nicht.
Darauf macht gerade erst wieder eine neue Erhebung des Statistischen Bundesamts aufmerksam, die Anfang Mai veröffentlicht wurde. Demnach kümmern sich Väter hierzulande zwar mehr um ihre Kinder, als es früher der Fall war. Aber eben immer noch täglich eine Stunde weniger als Mütter, die heutzutage aber deutlich mehr Erwerbsarbeit leisten als früher. Außerdem picken sich Väter häufiger die Rosinen der Care-Arbeit heraus: zusammen Sport machen, spielen, die Kinder beaufsichtigen. Dinge also, die Spaß machen. Den Nervkram, Körperpflege, Füttern, Anziehen etwa, erledigen häufiger Mütter.
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Traditionsgemäß tun Mütter das auch am Muttertag. Ein „Vatertag für Mütter“ wäre da wahrscheinlich nur ein Minisymbol, um diese eine Stunde täglich auszugleichen. Man könnte auch dem Weltelterntag mehr Beachtung schenken. Am 1. Juni findet er statt und soll betonen, wie bedeutsam Eltern für die Gesellschaft sind. Ein Elterntag lässt sicherlich auch mehr Platz für alle möglichen erdenklichen Familienkonstellationen. Schafft man den Muttertag aber ganz ab, wie es schon oft gefordert wurde, würde das bestehende Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern noch unsichtbarer gemacht als eh schon.
Wie auch immer es am Ende heißt: Diese immergleichen Traditionen im Mai braucht es auf jeden Fall nicht mehr. Die suggerieren, dass es ganz normal wäre, dass Väter eben mit dem Bollerwagen losziehen und Spaß haben. Mütter mit Kleinigkeiten beschenkt werden, und dann alles so läuft wie immer. Solche Bilder prägen schließlich auch die nächsten Generationen. Kinder lernen, dass Mütter sich kümmern, Väter für den Spaß zu haben sind. Dass Kinder die Aufgabe haben, Eltern für ihre Arbeit wertzuschätzen. Indem sie beispielsweise Geschenke überreichen, die in Schulen und Kitas entstehen.
Wie wäre es, wenn Kinder sich nicht dankbar für ihre Existenz zeigen müssen? Wenn beide Elternteile zeigen, dass sie in allen Belangen für das Familienleben da sind? Die sich beide Pausen von der Care-Arbeit nehmen? Damit das klappt, sind Blumen und Selbstgebasteltes nicht nötig. Es braucht vielmehr eine Familienpolitik, die es sich zur Aufgabe macht, die Arbeit von Eltern wirklich wertzuschätzen. Es braucht Väter, die häufiger zum Spielplatz pilgern. Und es braucht Mütter, die sich häufiger den Bollerwagen schnappen. Drehen wir den Spieß doch einmal um.
Mütter brauchen keine Blumen – sondern Vatertage
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12.05.2024
Drehen wir den Spieß doch einmal um. Nur zwei Tage liegen in diesem Jahr zwischen Vater- und Muttertag. Der Vatertag findet sogar vor dem Muttertag statt. Man stelle sich da einmal Väter vor, die morgens von ihren Kindern einen Strauß Blumen, Parfum und Selbstgebasteltes in die Hand gedrückt bekommen. Es gibt Brötchen. Und dann ist eigentlich alles wie immer.
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Das könnte dann so aussehen: Väter pilgern mit ihren Kindern im Bollerwagen zum Spielplatz. Der Rucksack ist voll mit Saftschorle statt Bierdosen, wie es sonst die „Tradition“ verlangt. Väter achten darauf, dass der Nachwuchs ausreichend trinkt, vor Sonne und Regen geschützt ist, sich nicht verletzt, gut ins Spielen findet. Väter machen Smalltalk mit anderen Vätern. Vermitteln, wenn sich alle Kinder plötzlich auf dieselbe Schaukel stürzen.
Väter haben den Zeitplan im Blick. Kredenzen pünktlich um zwölf Mittagessen. Helfen beim Händewaschen, Zähneputzen, Windelnwechseln, Klogang. Begleiten Kleinkinder in den Mittagsschlaf, machen den Größeren ein........
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