Die Ampel hat ein besonderes Talent. Sie schafft es, eine schwierige Entscheidung zu treffen – und sie umgehend wieder zu zerreden. Ginge es bei der Debatte über den von den Koalitionsfraktionsspitzen geeinten Antrag zur Verteidigung der Ukraine nicht um Leben und Tod, könnte man von Kinderkram reden. Die Lage ist aber zu ernst, um den Zwist um den Marschflugkörper Taurus einfach laufen zu lassen. Vor allem ist die Debatte überflüssig. Denn die Frage, ob der Bundeskanzler der Ukraine diese selbstlenkende Rakete weiter verweigern wird, erscheint jetzt beantwortet: Olaf Scholz kann eine Lieferung nach diesem Antrag kaum noch ausschließen.

Das neunseitige Papier beinhaltet eine für die SPD heikle Passage. Trotzdem hat der Militärskeptiker und Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich sie unterschrieben. Und Scholz unterstützt den Antrag aus „vollem Herzen“, wie sein Sprecher versichert. Jetzt muss die Koalition sich nur selbst über die Tragweite dieses Antrags klar werden.

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Darin heißt es, die Bundesregierung solle der Ukraine militärische Unterstützung bereitstellen, die dies beinhalte: „die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen“. In diese Kategorie gehört der Taurus, auch wenn er in dem Text nicht erwähnt wird. Und noch etwas lässt aufhorchen. Der Ukraine sollen „gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors“ ermöglicht werden. Darunter fallen von Russland besetzte Gebiete im Osten der Ukraine. Damit ist aber auch russisches Staatsgebiet nicht ausgeschlossen.

Es ist misslich, dass Scholz wieder nicht Klartext spricht. Er müsste nicht verkünden, dass die Ukraine theoretisch Taurus mit seiner Reichweite bis Moskau bekommen und damit auch Ziele in Russland angreifen kann. Aber er könnte das Versteckspiel beenden und erklären, dass die Lieferung von Taurus mit diesem Antrag theoretisch möglich ist, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Dazu zählt die wichtige Absprache mit den USA und auch der Blick in die Bestände für die Bündnisverteidigung.

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Scholz oberster Auftrag ist, Schaden vom eigenen Volk abzuwenden. Er hat Sorge, dass Deutschland und Nato-Staaten in diesen Krieg hineingezogen werden könnten oder selbst nicht mehr genügend Waffen haben, wenn es zur Eskalation käme. Zugleich ist klar, dass Deutschland und die Nato-Staaten einen viel höheren Preis als alle Waffenlieferungen jetzt zahlen werden, wenn die Ukraine diesen russischen Angriffskrieg verliert. Dazwischen muss Scholz jonglieren und brauchte eine Koalition, die zusammensteht.

Die FDP hat nun aber zum vierten Mal innerhalb einer Woche Zweifel am gemeinsamen Gelingen genährt. Erst fordert Finanzminister Christian Lindner eine „Wirtschaftswende“ – ohne mit dem zuständigen Minister Robert Habeck von den Grünen gesprochen zu haben. Dann warnt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki wegen eines Streits um die Bezahlkarte für Asylsuchende vor einem Koalitionsbruch, während der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai einer schwarz-gelben Koalition huldigt. Und nun will die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann neben dem Antrag der Ampel zur Ukraine auch für den der Union stimmen. Weil dort Taurus genannt wird.

Die Ampel wirkt da wie eine Familie, die nach langem Hin und Her Rom zum Reiseziel erklärt hat, und dann beklagt einer, dass Italien dabei nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Und das Familienoberhaupt entgegnet, er unterstütze Rom aus vollem Herzen, weigert sich aber zu sagen, in welchem Land Rom liegt. Wann versteht dieses Bündnis endlich, dass die Bevölkerung Sicherheit braucht und kein Chaos? Taurus kann geliefert werden. Zeit, es auch zu sagen.

QOSHE - Der Taurus kann geliefert werden – und es ist Zeit, dass der Kanzler das ausspricht - Kristina Dunz
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Der Taurus kann geliefert werden – und es ist Zeit, dass der Kanzler das ausspricht

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21.02.2024

Die Ampel hat ein besonderes Talent. Sie schafft es, eine schwierige Entscheidung zu treffen – und sie umgehend wieder zu zerreden. Ginge es bei der Debatte über den von den Koalitionsfraktionsspitzen geeinten Antrag zur Verteidigung der Ukraine nicht um Leben und Tod, könnte man von Kinderkram reden. Die Lage ist aber zu ernst, um den Zwist um den Marschflugkörper Taurus einfach laufen zu lassen. Vor allem ist die Debatte überflüssig. Denn die Frage, ob der Bundeskanzler der Ukraine diese selbstlenkende Rakete weiter verweigern wird, erscheint jetzt beantwortet: Olaf Scholz kann eine Lieferung nach diesem Antrag kaum noch ausschließen.

Das neunseitige Papier beinhaltet eine für die SPD heikle Passage. Trotzdem hat der Militärskeptiker und Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich sie unterschrieben. Und Scholz unterstützt den Antrag aus „vollem Herzen“, wie sein Sprecher versichert. Jetzt muss die Koalition sich nur selbst über die Tragweite dieses Antrags klar........

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