Man muss doppelt hinschauen, wenn man die Zahlen liest. Kann das wirklich sein? Ist das wirklich die Premier League? Jene englische Liga der Superreichen, die in jeder Transferphase Rekorde bricht und in einem Wechselfenster gerne mehr Geld ausgibt als die übrigen europäischen Top-Ligen zusammen?

Man kann es kaum Gauben, aber es stimmt: die Premier League hat im Januar überaus sparsam operiert, zumindest für eigene Verhältnisse. Rund 120 Millionen Euro (Quelle: Transfermarkt.de) haben die englischen Vereine aufgewandt – das ist weniger als ein Siebtel der Ausgaben im Januar des vergangenen Jahren. Was ist passiert? Haben Manchester City, der FC Chelsea, der FC Liverpool und Co. beschlossen, dass man ein bisschen sparsamer sein sollte in einer Zeit, in der weite Teile des Landes unter den steigenden Lebenshaltungskosten leiden?

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Nicht ganz. Die Zurückhaltung hat weniger mit einem moralischen Paradigmenwechsel zu tun und mehr mit einer neuen Vorsicht. In der Corona-Pandemie hatte die Premier League ihre Finanzregeln gelockert, die Profit and Sustainability Rules (PSR). Mittlerweile wurde das Regelwerk wieder verschärft – und Strafen gegen den FC Everton (zehn Punkte Abzug!) und Nottingham Forest haben bewiesen, dass die Liga es ernst meint mit der Durchsetzung ihrer Vorschriften. Die traditionellen „big spender“ sind deshalb zurückhaltender bei ihren Ausgaben. Krassestes Beispiel ist der FC Chelsea. Der Verein verantwortete im vergangenen Winter fast die Hälfte der gesamten Premier-League-Ausgaben und gab in diesem Januar überhaupt kein Geld aus.

Vertreter wie Chelsea sind es allerdings, die mit ihrem Geld den Markt normalerweise in Bewegung halten. Ohne ihre Ausgaben haben auch andere Klubs weniger Möglichkeiten. Der Domino-Effekt, der oft auf dem Fußballer-Markt zu sehen ist, ist in diesem Januar ausgeblieben. Eine Rolle spielt dabei auch ein vergleichsweise neuer Akteur: Im Sommer hat Saudi-Arabien Unsummen für alternde Stars ausgegeben und damit vor allem die englischen Vereine bereichert, die dadurch wiederum mehr eigene Transfers tätigen konnten. In diesem Winter ist Saudi-Arabien damit beschäftigt, die schon verpflichteten Spieler bei Laune zu halten – die Flucht Jordan Hendersons zu Ajax Amsterdam und die Probleme um Karim Benzema zeigen, dass das kompliziert ist.

Traditionell geben in England nicht nur die Spitzenteams hohe Summen aus, sondern auch Vereine aus der zweiten Tabellenhälfte – um den Abstieg zu verhindern und weiter Zugang zu den Geldspeichern der Premier League zu haben. In dieser Saison allerdings stehen Sheffield United und der FC Burnley fast schon als Absteiger fest. Die Branche scheint darauf zu vertrauen, dass es außerdem Luton Town trifft. Die allgemeine Abstiegsangst ist deshalb deutlich kleiner als in den vergangenen Jahren, das heißt: viele Klubs sahen keinen Grund zu Panik-Transfers.

Im vergangenen Winter trug außerdem die WM zu enormen Ausgaben bei. So verpflichtete zum Beispiel Chelsea den frisch zum Weltmeister gekrönten Argentinier Enzo Fernández für die britische Rekordsumme von mehr als 120 Millionen Euro. In diesem Januar gab es keinen durch eine Winter-WM in Aufruhr versetzten Transfermarkt. Und gegen Chelsea, das noch als Ergänzung, ermittelt aktuell die Premier League – wegen Verstößen gegen die Finanzregeln unter dem einstigen Besitzer Roman Abramowitsch.

QOSHE - Warum die englischen Klubs im Januar kaum Geld ausgegeben haben - Hendrik Buchheister
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Warum die englischen Klubs im Januar kaum Geld ausgegeben haben

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02.02.2024

Man muss doppelt hinschauen, wenn man die Zahlen liest. Kann das wirklich sein? Ist das wirklich die Premier League? Jene englische Liga der Superreichen, die in jeder Transferphase Rekorde bricht und in einem Wechselfenster gerne mehr Geld ausgibt als die übrigen europäischen Top-Ligen zusammen?

Man kann es kaum Gauben, aber es stimmt: die Premier League hat im Januar überaus sparsam operiert, zumindest für eigene Verhältnisse. Rund 120 Millionen Euro (Quelle: Transfermarkt.de) haben die englischen Vereine aufgewandt – das ist weniger als ein Siebtel der Ausgaben im Januar des vergangenen Jahren. Was ist passiert? Haben Manchester City, der FC Chelsea, der FC Liverpool und Co. beschlossen, dass man ein bisschen sparsamer sein sollte in einer Zeit, in der weite Teile des Landes unter den........

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