Es ist abwegig, dass es weniger Blutvergießen geben könnte, wenn die Ukraine sich von nun an widerstandslos vom russischen Aggressor überrollen ließe. Papst Franziskus seien die Berichte vom Massaker aus Butscha und aus anderen ukrainischen Orten empfohlen, wo sich die russischen Soldaten keineswegs auf eine militärische Eroberung beschränkt haben, sondern vielmehr die Zivilbevölkerung drangsalierten, folterten und ermordeten.

Das biblische Matthäus-Prinzip, wonach man bitteschön auch die andere Wange hinhalten solle, wenn einem jemand auf die eine geschlagen habe, ist kein guter Ratgeber für Geopolitik. Die Aufforderung zur Kapitulation an die Ukraine ist ungeheuerlich und gefährlich. Sollte die Ukraine tatsächlich die weiße Fahne hissen, dann würde das die Auslöschung der ukrainischen Demokratie, ja der ganzen Nation Ukraine, bedeuten. Nur wer sich bedingungslos dem russischen Diktat unterwerfen würde, hätte eine Chance ungeschoren davonzukommen. Wohlgemerkt nur eine Chance, noch nicht einmal die Garantie.

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Selbstverständlich muss auch in einem solch erbitterten Krieg, wie ihn Russland gegen die Ukraine führt, immer wieder ausgelotet werden, ob es nicht doch die Chance auf einen Verhandlungsfrieden gibt. Und es ist auch Aufgabe der Kirchen, auf einen solchen Frieden zu drängen. Allerdings waren die Einlassungen von Papst Franziskus kurzsichtig. Eine Kapitulation der Ukraine würde den Weltfrieden erst recht gefährden. Wenn Putin die Ukraine erst einmal unterjocht hat, könnte er als Nächstes gegen Moldau und danach gegen einen Nato-Staat in Osteuropa vorgehen.

Ein Verhandlungsfrieden ist nur möglich, wenn beide Seiten bereit sind, Realitäten anzuerkennen. Bevor Russland sich überhaupt an den Verhandlungstisch setzt, verlangt es, dass die Ukraine auf 20 Prozent ihres Staatsgebiets und ihre Souveränität verzichtet. Solange der Kreml diese Forderung zur Grundlage für einen Waffenstillstand macht, darf man die Ukraine nicht auffordern, die weiße Fahne hochzuziehen.

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Angesichts der internationalen Kritik an den Papst-Worten war der Vatikan um Schadensbegrenzung bemüht. Ein Sprecher verwies darauf, dass mit dem Bild der weißen Fahne nicht eine Aufforderung zur Kapitulation gemeint gewesen sei. Überzeugend erscheint diese Einordnung nicht. Der Papst hätte mindestens auch Russland dazu aufrufen müssen, seine Armeen aus der Ukraine abzuziehen. Das aber hat er versäumt und auch nicht im Nachgang getan. Selbst ein pazifistischer Blick auf den Krieg in der Ukraine darf nicht dazu führen, dass nur die angegriffene, wohl schwächere Seite zum Waffenstillstand aufgerufen wird.

Die Worte von Papst Franziskus dürften in punkto Weltfrieden mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben. Wenn das Kirchenoberhaupt in einem solchen Krieg nur die angegriffene Seite aufruft, die Waffen ruhen zu lassen, dann verschiebt es die Definition von Gut und Böse. Dann besteht auch die Gefahr, dass der in weiten Teilen katholisch geprägte globale Süden gegen die Ukraine und für Russland Partei ergreift. So macht sich der Papst zu Putins Helfer. Warum der Papst das tut und warum er keine Berater hat, die ihm die Tragweite seiner Äußerungen spiegeln, bleibt ein Rätsel.

Noch nie haben Drohnen im Krieg eine so wichtige Rolle gespielt wie in der Ukraine. Schon jetzt sind sie eine der größten Gefahren an der Front, wo per Videobrille Jagd auf Feinde gemacht wird. Experten entwerfen Horrorszenarien von Minikillerdrohnen und Drohnenschwärmen mit Künstlicher Intelligenz – die schon bald Wirklichkeit werden könnten.

Es ist traurig und unverständlich, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht seinen Einfluss nutzt, um zuerst und zuvorderst den Aggressor Russland und danach auch die angegriffene Ukraine zu Friedensverhandlungen aufzurufen. Der Papst hatte von „Mut“ zur weißen Fahne gesprochen. Es wäre schön, wenn der Vatikan den Mut hätte, diese Worte klar zu stellen und Russland zum Waffenstillstand, zum Rückzug und zu Reparationen aufzurufen.

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Der Papst und die Ukraine: Eine ungeheuerliche Aufforderung

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11.03.2024

Es ist abwegig, dass es weniger Blutvergießen geben könnte, wenn die Ukraine sich von nun an widerstandslos vom russischen Aggressor überrollen ließe. Papst Franziskus seien die Berichte vom Massaker aus Butscha und aus anderen ukrainischen Orten empfohlen, wo sich die russischen Soldaten keineswegs auf eine militärische Eroberung beschränkt haben, sondern vielmehr die Zivilbevölkerung drangsalierten, folterten und ermordeten.

Das biblische Matthäus-Prinzip, wonach man bitteschön auch die andere Wange hinhalten solle, wenn einem jemand auf die eine geschlagen habe, ist kein guter Ratgeber für Geopolitik. Die Aufforderung zur Kapitulation an die Ukraine ist ungeheuerlich und gefährlich. Sollte die Ukraine tatsächlich die weiße Fahne hissen, dann würde das die Auslöschung der ukrainischen Demokratie, ja der ganzen Nation Ukraine, bedeuten. Nur wer sich bedingungslos dem russischen Diktat unterwerfen würde, hätte eine Chance ungeschoren davonzukommen. Wohlgemerkt nur eine Chance, noch nicht einmal die Garantie.

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