Hannover. Klimaneutral bis 2035: Dieses ehrgeizige Ziel wird die Region Hannover wohl laut einem Gutachten des Hamburg Instituts verpassen. Das allerdings ist nicht einmal der alarmierendste Befund der Studie. Die Studie macht unmissverständlich klar: Selbst bis 2040 – wie es das niedersächsische Klimaschutzgesetz vorsieht – wird die Region ihre Ziele nur dann erreichen, wenn sie die Potenziale in ihrem eigenen Einflussbereich voll ausschöpft.

Konkret bedeutet das etwa, dass sämtliche Vorhaben aus dem extrem ehrgeizigen Verkehrsentwicklungsplan 2035+ umgesetzt werden müssen. Das ist laut Gutachten„für das Erreichen des aufgezeigten Reduktionspfads unabdingbar“. Der Plan sieht eine Halbierung des Autoverkehrs vor, der Anteil des Nahverkehrs und Radverkehrs soll sich verdoppeln, in den Kommunen sollen verkehrsberuhigte Quartiere entstehen, in denen der Durchgangsverkehr nichts mehr zu suchen hat, pro Jahr regionsweit 3000 Parkplätze für Autos wegfallen.

Die Realität ist eine andere. Die S-Bahn kann – wenn überhaupt – gerade so das mit der Region vereinbarte Angebot stemmen. Der Mangel an Lokführern ist deutschlandweit riesig. Wie ein massiver Ausbau gelingen soll, ist derzeit schleierhaft. In vielen Umlandkommunen gibt es große Vorbehalte, Einschränkungen für den Autoverkehr umzusetzen.

Selbst in Hannover geht die Verkehrswende nur im Schneckentempo voran. Seit dem Bruch der rot-grünen Koalition ist die Zukunft der geplanten autoarmen Innenstadt ungewiss. In der Südstadt hat die Politik die Abschaffung mehrerer Fahrradstraßen beschlossen, weil für deren Verbesserung Parkplätze wegfallen sollen. Für die zügige Planung neuer Anwohnerparkzonen fehlt der Stadt das Personal, für eine spürbare Erhöhung der Parkgebühren ist keine Mehrheit in Sicht.

Daran zeigt sich auch ein Dilemma der Politik, nicht nur in Hannover. Große Ziele wie die Klimaneutralität oder Pläne für den Verkehr im Jahr 2035 sind schnell mit großer Mehrheit beschlossen. Wenn es an die konkrete Umsetzung geht, die Geld kostet und oft auch Proteste von Bürgerinnen und Bürgern auslöst, gehen Weitsicht und Mut verloren. Klimawirksame Projekte werden verwässert, verschoben oder ganz gestoppt mit dem Argument, dass man „die Bürger mitnehmen“ müsse.

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Das stimmt grundsätzlich. Gegen die Bürgerinnen und Bürger geht es nicht. Allerdings verkennt die Politik oft, dass viel mehr Menschen zu Veränderungen bereit sind, wenn sie einen klaren Plan erkennen, beteiligt werden und gut erklärt bekommen, welcher Nutzen mit Projekten verbunden ist.

Derzeit fehlt es allerdings auch an einer soliden Grundlage, auf deren Basis die Politik ihre Entscheidungen treffen kann. Es findet keine effektive Priorisierung danach statt, wie die begrenzten finanziellen Mittel so eingesetzt werden können, dass sie den größten Nutzen für den Klimaschutz bringen. Höchste Zeit, das zu ändern. Damit die Region nicht schon bald verkünden muss, dass die Klimaneutralität auch 2040 nicht zu schaffen sein wird oder gar das bundesweite Ziel 2045 verfehlt wird.

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26.04.2024

Hannover. Klimaneutral bis 2035: Dieses ehrgeizige Ziel wird die Region Hannover wohl laut einem Gutachten des Hamburg Instituts verpassen. Das allerdings ist nicht einmal der alarmierendste Befund der Studie. Die Studie macht unmissverständlich klar: Selbst bis 2040 – wie es das niedersächsische Klimaschutzgesetz vorsieht – wird die Region ihre Ziele nur dann erreichen, wenn sie die Potenziale in ihrem eigenen Einflussbereich voll ausschöpft.

Konkret bedeutet das etwa, dass sämtliche Vorhaben aus dem extrem ehrgeizigen Verkehrsentwicklungsplan 2035 umgesetzt werden müssen. Das ist laut Gutachten„für das Erreichen des aufgezeigten Reduktionspfads unabdingbar“. Der Plan sieht eine Halbierung des Autoverkehrs vor, der Anteil des Nahverkehrs und........

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