Stand: 21.03.2024, 17:17 Uhr

Von: Richard Meng

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Mischfinanzierung ist das Zauberwort, um an Geld aus vielen Töpfen zu kommen. Es wäre besser für die Demokratie, wenn wieder klar würde, wer wen warum fördert. Die Kolumne.

Nur wenn es Geld gibt, machen wir mit: Wer kennt es nicht, dieses Prinzip der besonders Schlauen. Mittel von Land, Bund oder EU sind oft der Türöffner. In der Politik weiß man das sehr genau und nutzt es. Für Gemeinwesenarbeit, Demokratieförderung, Umweltschutz, Wirtschaftshilfen und vieles mehr. Es ist ein Spiel in beider Interesse. Die da unten können nur so Ideen umsetzen, die dort oben können guten Gewissens Akzente setzen.

Weit im Norden gibt es ein Beispiel, an dem sich der Effekt besichtigen lässt. Es geht – eigentlich und ursächlich – um ein verfallendes, altes, schlossähnliches Gebäude mit bewegter Geschichte. Seit Jahrzehnten ist keine Sanierung in Sicht, Neunutzung auch nicht. Zuletzt war versucht worden, Geld für die Anlage samt Park über eine Bundesgartenschau locker zu bekommen, woraus mangels Gartenschau aber nichts wurde. Jetzt gibt es einen neuen Hebel.

Da einst die umliegenden Wiesen durch einen Damm trockengelegt wurden, ist der Spiegel des Wassergrabens rund um den auf Pfählen gebauten Komplex deutlich gesunken. Was also beantragen im Interesse von Klima und Haus? Bei EU und Bund ist ein gut gefülltes Moorschutzprogramm aufgelegt, dessen Mittel dem Staat nicht wirklich aus den Händen gerissen werden. Dann also los: Damm absenken, Wasserspiegel wieder heben, vielleicht bringt das irgendwann auch die Gebäuderettung voran. Ein Anfang wäre gemacht.

So funktioniert das Prinzip goldener Zügel, selbst wenn dadurch mitunter – siehe Gemeinwesenarbeit – mit guter Absicht Strukturen aufgebaut werden, die später wenig Wirkung haben. Die EU hat zudem insbesondere das Programm Regionale Wirtschaftsförderung erfunden. Die Regionen setzen seitdem viel Kreativität ein, eigene Bedarfe so zurechtzuschneidern, dass sie zu den Förderkriterien passen.

Mal für Wander- oder Radwege, mal für Dachsanierung oder einen Giraffenpfad im Zoo, regional also mit erstaunlichen Besonderheiten. Man nimmt, was gerade passt – so wie ja auch sonst Begründungen gerne nach Opportunität daherkommen. Wer irgendwo auf dem Land ein störendes Windrad verhindern will, sucht von jeher am besten ein Naturschutzargument. Damit ist es nach Rechtslage oft am einfachsten.

Das föderaleuropäische System begünstigt und fordert geradezu Umwegdebatten, Kreislaufargumentationen, Scheinargumente. Der Fachbegriff in Geldfragen: Mischfinanzierung. Sie scheint der Preis zu sein für den Rest an politischer Steuerungsfähigkeit, während gleichzeitig die Staatsebenen untereinander ständig um die Finanzen rangeln. Es ist da manches zum Haareraufen, oben wie unten. Aber beide Blickperspektiven sind in ihrer Art rational.

Was genau mit welchem Ziel fördern? Hin und wieder taucht die Zentralfrage noch aus dem Nebel der Zuständigkeiten auf. Die FDP hat sich zu einer Blockade des Demokratiefördergesetzes verstiegen, weil sie findet, auf diese Weise würden am Ende nur linksgrüne Projekte in den Städten abgesichert. Ginge es um Wirtschaftsförderung, wäre die Haltung der FDP eine andere. Doch das Demokratieproblem hinter dem Prinzip goldener Zügel ist mit dem Frust über die Klientelpartei FDP leider nicht gelöst.

Nach mehr Förderung wird überall gerufen. Wer das Spiel des Geldbesorgens durchschaut, wird in der Nahbeobachtung schnell zum Zyniker. Es wäre für die Demokratie gut, wenn wieder klarer würde, wer wen warum fördert statt der vielen Mischmaschdeals – wenig transparent, aber begleitet von vielen Gönnermienen.

Aus Kritik am System dann lieber verzichten? Sehen wir’s gnädig. Wenn ausgerechnet der Moorschutz ein altes Haus stabilisiert, ist das weder schlecht für das Haus noch für das Klima. Vielleicht, aber Risiko ist immer, auch nicht für den Bürgermeister.

Richard Meng ist Vorsitzender des Kuratoriums der Karl-Gerold-Stiftung und Chefredakteur der Zeitschrift Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte

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Prinzip goldener Zügel

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21.03.2024

Stand: 21.03.2024, 17:17 Uhr

Von: Richard Meng

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Mischfinanzierung ist das Zauberwort, um an Geld aus vielen Töpfen zu kommen. Es wäre besser für die Demokratie, wenn wieder klar würde, wer wen warum fördert. Die Kolumne.

Nur wenn es Geld gibt, machen wir mit: Wer kennt es nicht, dieses Prinzip der besonders Schlauen. Mittel von Land, Bund oder EU sind oft der Türöffner. In der Politik weiß man das sehr genau und nutzt es. Für Gemeinwesenarbeit, Demokratieförderung, Umweltschutz, Wirtschaftshilfen und vieles mehr. Es ist ein Spiel in beider Interesse. Die da unten können nur so Ideen umsetzen, die dort oben können guten Gewissens Akzente setzen.

Weit im Norden gibt es ein Beispiel, an dem sich der Effekt besichtigen lässt. Es geht – eigentlich und ursächlich – um ein verfallendes, altes, schlossähnliches Gebäude mit bewegter Geschichte. Seit Jahrzehnten ist keine Sanierung in Sicht, Neunutzung auch nicht. Zuletzt war versucht worden, Geld........

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