Stand: 10.12.2023, 15:38 Uhr

Von: Johannes Dieterich

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Dies ist nicht die Version der Kolumne, die ein Programm der Künstlichen Intelligenz ursprünglich für mich schrieb. Es fehlte Gewissen und Gefühl.

Meine letzte Kolumne sollte von ChatGPT geschrieben sein. Ich fand es angemessen, dass Ihr Afrika-Korrespondent nach 25 Jahren Berichterstattung von einem Bot ersetzt wird. Deshalb mein Input in den Textgenerator: „Schreiben Sie einen humorvollen Abschiedsbrief eines Korrespondenten, der ein Vierteljahrhundert aus Afrika berichtet hat und nun von einem Bot abgelöst wird.“

Nach wenigen Sekunden Überlegzeit kam ein angestrengt witziger Text zum Vorschein, der von „Pavianen auf Koffein“ schwadronierte, von „Löwen, die im Morgengrauen vor meinem Zelt ihr tägliches Ständchen gaben“ und von „Elefanten, die sozial distanziert den Fluss überquerten“.

Für einen künstlichen Reporter ist Afrika offensichtlich ein einziger Zoo. Dass da auch Menschen leben, hat meinem virtuellen Nachfolger keiner der Trillionen an Textbausteinen mitgeteilt, die ihm eingetrichtert wurde. Eine passende Pointe zum Ende eines Berufslebens auf dem Kontinent.

Dass ich von dem Vorhaben Abstand nahm, hängt mit menschlichen Grundlagen zusammen, über die ein Bot noch nicht verfügt: Gewissen und Gefühl. Mich unter den derzeitigen weltweiten Verhältnissen mit einem industriell hergestellten flapsigen Text zu verabschieden, kam mir unpassend vor. „Es gibt eine Zeit zum Pflanzen und zum Einreißen“, sagt die Bibel, „eine Zeit zum Lachen und zum Klagen … eine Zeit der Liebe und des Kriegs.“

Für mich ist es die Zeit zur Verzweiflung. Die Erde heizt sich immer gefährlicher auf, während sich die Menschheit unter dem Vorsitz eines Erdölministers aus einem Erdölscheichtum nicht zu einer Kehrtwende durchringen kann. Ein machtbesessener und raffgieriger Autokrat hat einen Nachbarstaat überfallen, der sich seinem Zugriff widersetzen wollte.

Und der Weltpolizist in Washington, der sich zunächst als Retter der Demokratie und der freien Welt geriert, hat plötzlich anderes im Kopf. Dort droht ein Kerl ins höchste Amt zurück gewählt zu werden, der außer seinem beschädigten Ego und seiner verlogenen Weltsicht nichts im Kopf zu haben scheint.

Schließlich erleben wir derzeit in Echtzeit eine Militäraktion in Gaza mit, die von den Überlebenden des Holocausts niemand erwartet hätte. Benjamin Netanyahu und seine rechtsradikalen Gesinnungsgenossen haben Israel, dem wir Deutsche zurecht unsere Unterstützung auf alle Ewigkeit geschworen haben, an einen Ort manövriert, wo Solidarität zur Mittäterschaft wird. Selbstverständlich wird unser Herz auch weiter für Israel schlagen. Aber für welches Israel?

Wie den meisten meiner Kolumnen vermutlich zu entnehmen war, habe ich vor 45 Jahren mal Theologie studiert – Moral und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse gehört zu meiner DNA.

Früher war mir das peinlich: Inzwischen – angesichts der Gewissenlosigkeit der Bots, Putins, Trumps, Netanyahus und mittlerweile auch Bidens – halte ich daran wie ein Ertrinkender an einer Holzplanke fest.

„Menschen lernen zu hassen“, lautet eines der berühmtesten Zitate Nelson Mandelas: „Und wenn sie hassen lernen können, dann können sie auch lieben lernen. Denn Lieben fällt dem menschlichen Herzen leichter als Hassen.“ Gebe Gott (oder wer auch immer), dass die zuletzt genannte Prämisse auch tatsächlich stimmt.

Johannes Dieterich berichtet für die Frankfurter Rundschau aus und über Afrika.

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Afrika ist kein Zoo

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10.12.2023

Stand: 10.12.2023, 15:38 Uhr

Von: Johannes Dieterich

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Dies ist nicht die Version der Kolumne, die ein Programm der Künstlichen Intelligenz ursprünglich für mich schrieb. Es fehlte Gewissen und Gefühl.

Meine letzte Kolumne sollte von ChatGPT geschrieben sein. Ich fand es angemessen, dass Ihr Afrika-Korrespondent nach 25 Jahren Berichterstattung von einem Bot ersetzt wird. Deshalb mein Input in den Textgenerator: „Schreiben Sie einen humorvollen Abschiedsbrief eines Korrespondenten, der ein Vierteljahrhundert aus Afrika berichtet hat und nun von einem Bot abgelöst wird.“

Nach wenigen Sekunden Überlegzeit kam ein angestrengt witziger Text zum Vorschein, der von „Pavianen auf Koffein“ schwadronierte, von „Löwen, die im Morgengrauen vor meinem Zelt ihr tägliches Ständchen gaben“ und von „Elefanten, die sozial........

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