Stand: 05.02.2024, 15:37 Uhr

Von: Joachim Wille

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Die Europäische Union und der Bund müssen Hersteller-Firmen für Photovoltaik stützen, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Leitartikel.

Die deutsche Solarindustrie steht vor dem Aus. Die Lage wird zunehmend dramatischer, da nun bereits der dritte hiesige Produzent von Photovoltaik-Modulen, die Chemnitzer Firma Heckert Solar, die Schließung seiner Produktion an die Wand gemalt hat. Die Konkurrenten Meyer Burger und Solarwatt warnen bereits seit Wochen, dass es mit dem Solar-Standort Deutschland zu Ende gehen könnte, wenn die Politik nicht für bessere Rahmenbedingungen sorgt.

Heckert Solar ist einer der ältesten und größten noch verbliebenen PV-Produzenten des Landes. Und wenn Unternehmenschef Benjamin Trinkerl an die schlichte Weisheit erinnert, „dass es eine Produktion hier nur geben kann, wenn sie sich auch rentiert“, muss man das als so dramatisch erkennen, wie es ist. Sie rechnet sich nämlich nicht.

Grund dafür ist die Flut billiger Solarmodule aus China, die den europäischen Markt in Schieflage bringt. Es gibt eine globale Überversorgung bisher ungekannten Ausmaßes. Denn dank staatlicher Subventionen haben die Chinesen Fabriken mit gewaltigen Überkapazitäten hochgezogen, deren Produkte nun auch hierzulande zu Dumpingpreisen angeboten werden.

Wie dramatisch die Lage ist, kann man daran ablesen, dass allein in Hallen im Hafen von Rotterdam eine Menge von Solarmodulen lagern soll, die für ein Jahr Ausbau reicht – in der ganzen EU. Kein Wunder, dass die hiesige PV-Industrie warnt, die europäische Produktion sei „akut von Abwanderung und Schließung bedroht“, wie es jüngst in einem Brandbrief an die Bundesregierung hieß.

Windkraft-Ausbau: Gut, aber nicht gut genug

Heckert Solar hat seine Produktion gedrosselt, Meyer Burger plant bereits die Verlagerung seines Werks im sächsischen Freiberg in die USA. Brancheninsider gehen davon aus, dass das Schicksal der Solaranlagen made in Germany besiegelt ist, wenn in den nächsten vier bis acht Wochen auf politischer Ebene nichts passiert.

Damit würde sich wiederholen, was vor gut einem Jahrzehnt schon einmal geschah. Damals ging die deutsche Solarindustrie – seinerzeit Weltmarktführer der aufstrebenden Branche mit Unternehmen wie Solarworld, Solon und Q-Cells – fast komplett pleite.

Die damalige Bundesregierung aus Union und FDP hatte erstens die PV-Förderung brachial gekürzt, was den Zubau einbrechen ließ, und zweitens kein Rezept gegen die erstarkende Konkurrenz aus China gefunden, die damals, gepusht von der Pekinger Führung, erstmals mit Dumping-Preisen auftrat.

Es wäre fatal, würden die Bundesregierung und die EU-Kommission dem zweiten Exitus der Branche tatenlos zusehen. Deutschland und die anderen EU-Staaten können es sich nicht leisten, eine zentrale Zukunftstechnologie künftig nur noch zu importieren – aus China, das den Markt zu über 90 Prozent beherrscht, und den USA, die die Ansiedelung der PV-Branche derzeit mit großen Steuersubventionen anlocken und sich vor ausländischer Konkurrenz abschotten.

Welche Folgen es haben kann, wenn man im Energiesektor zu stark auf Importe setzt und sich dann noch von einem Land abhängig macht, ist bekannt. Stichwort: Erdgas und Russland. Die Theorie, wonach die weltweite Arbeitsteilung automatisch Segen für alle bringt, gilt nicht mehr. Sie setzte voraus, dass alle Regierungen mehr oder minder nach denselben Regeln handeln. Putin hat vorgemacht, wie man Energie als Waffe einsetzt, und wer sagt, dass Peking seine solare Lieferkette nicht als Druckmittel nutzt, wenn es den Konflikt um Taiwan eskalieren sollte? Gefährlich, aber wahr: Xi Jinping kann die europäische Energiewende stoppen, wenn es ihm gefällt.

Das alleine sollte Grund genug sein, die EU-Solarindustrie zu stützen. Hinzu kommt, dass Deutschland und Europa es sich auch mit Blick auf die Wertschöpfung und Arbeitsplätze nicht leisten können, sich aus dieser Zukunftsbranche abzumelden.

Nach allem, was bekannt ist, wäre eine konkurrenzfähige PV-Produktion von der Wafer- über die Zell- bis zur Modulproduktion grundsätzlich auch hierzulande möglich, und zwar aufbauend auf einer Solarforschung, die immer die Weltspitze darstellt. Doch dazu braucht es Anreize, weil es weltweit keinen fairen Wettbewerb mehr gibt, seitdem die Welthandelsorganisation WTO praktisch tot ist, die ihn eigentlich garantieren und einen Subventionswettlauf wie den aktuellen verhindern sollte.

Ergo: Die Bundesregierung darf dem Solar-Abwracken nicht mehr länger zuschauen. Seit einem Jahr bereits wird auf EU-Ebene angesichts der Herausforderungen aus China und den USA über ein Gesetz gesprochen, das Zukunftsbranchen fördern soll, aber praktisch geschehen ist nichts.

Daher muss sich die Ampel endlich dazu durchringen, im Erneuerbare-Energien-Gesetz einen Förderbonus für die Produzenten heimischer Solarmodule zu schaffen, wie die Branche ihn fordert und er auch von SPD und Grünen befürwortet wird. Auch Zuschüsse zum Aufbau neuer Produktionen sind sinnvoll. Nur so kann wenigstens der Nukleus einer eigenen Solarindustrie gerettet werden. Das sollte auch die FDP endlich einsehen, die hier querschießt, wieder einmal.

QOSHE - Solarindustrie retten - Joachim Wille
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Solarindustrie retten

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05.02.2024

Stand: 05.02.2024, 15:37 Uhr

Von: Joachim Wille

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Die Europäische Union und der Bund müssen Hersteller-Firmen für Photovoltaik stützen, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Leitartikel.

Die deutsche Solarindustrie steht vor dem Aus. Die Lage wird zunehmend dramatischer, da nun bereits der dritte hiesige Produzent von Photovoltaik-Modulen, die Chemnitzer Firma Heckert Solar, die Schließung seiner Produktion an die Wand gemalt hat. Die Konkurrenten Meyer Burger und Solarwatt warnen bereits seit Wochen, dass es mit dem Solar-Standort Deutschland zu Ende gehen könnte, wenn die Politik nicht für bessere Rahmenbedingungen sorgt.

Heckert Solar ist einer der ältesten und größten noch verbliebenen PV-Produzenten des Landes. Und wenn Unternehmenschef Benjamin Trinkerl an die schlichte Weisheit erinnert, „dass es eine Produktion hier nur geben kann, wenn sie sich auch rentiert“, muss man das als so dramatisch erkennen, wie es ist. Sie rechnet sich nämlich nicht.

Grund dafür ist die Flut billiger Solarmodule aus China, die den europäischen Markt in Schieflage bringt. Es gibt eine globale Überversorgung bisher ungekannten Ausmaßes. Denn dank staatlicher Subventionen haben die Chinesen Fabriken mit gewaltigen Überkapazitäten........

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