Von der Cartoon- und Comiczeichnerin Roz Chast, die sich im „New Yorker“ als Meisterin des Kleinformats beweist, gibt es eine herrliche Bilderreihe über „Manspreading in Art“, also das auf die Künste über­tragene männliche Sich-Breitmachen nach Art raumgreifender Sitzhaltungen. Einen 1200-Seiten-Wälzer namens „Mein großartiges Genie“ setzt Chast mit ironisch bebendem Strich ins Bild, eine riesige Mauer mit entsprechendem Schattenwurf, die als „disruptiv“ gefeiert wird, und einen „mehr als eine Milliarde“ teuren Kinofilm „Roboterkriege in 5 D“. Der Cartoon ist schon ein paar Jahre alt; heute könnte die Zeichnerin ein Bild über transterrestrische Kunstexpansion anfügen, wie sie Jeff Koons betreibt.

Der für seine „Balloon Dogs“ berühmte, mutmaßlich reichste Künstler unserer Tage dehnt seine Ausstellungsreichweite bis auf den Mond aus. Von einer Rakete Elon Musks ins All geschossen, soll mit der ersten privat finanzierten, unbemannten Mondlandemission neben Messinstrumenten der NASA ein Kunstwerk von Koons auf dem Erdtrabanten platziert werden und dort bleiben.

Stünde es in ei­ner Galerie um die Ecke, erregte es, obwohl als „bisher ambitioniertestes Werk“ des Künstlers annonciert, wenig Aufsehen: 125 in eine Kiste gepackte Edelstahlkugeln von rund 2,5 Zentimeter Durchmesser, die Mondphasen darstellen, machen nicht gerade viel her. Dass sie die nächstgelegene Traumdestination für wohlhabende Weltraumtouristen dekorieren sollen, macht sie aber zu begehrten Investitionsobjekten. Clever vereinen sie mehrere Anlageklassen: Zu den Kügelchen, die Namen bedeutender Personen von Ada Lovelace bis Leonardo da Vinci tragen, gibt es zwecks irdischem Vergnügen je ein größeres Doppel mit eingelassenem Diamanten oder anderem Edelstein, der den Landeort markiert, dazu ein NFT, und schon ließen sich die Luxusmurmeln für angeblich je zwei Millionen Dollar verkaufen.

Wird der Mond im Zeichen kommerzieller Raumfahrt zu einer vom Markt kuratierten Deponie schlechter Kunst? Sieht danach aus, doch wer nun in die Hände klatscht und geistig eine Liste von Werken zum Auf-den-Mond-Schießen erstellt, sei gewarnt: Monumentales ist der Transportmöglichkeiten wegen vom Export ausgeschlossen. Umgekehrt müssen Fans des artistischen Weltraumprojekts hinnehmen, dass die Idee so neu nicht ist. Neben allerlei Raumfahrtschrott liegt längst Kunst im Staub des Erdbegleiters: 1971 brachte die Apollo-15-Crew Paul Van Hoeydoncks winzige Metallfigur eines „Gefallenen Astronauten“ auf den Mond, und 1969 ließen die Kollegen von Apollo 12 wohl eine Miniatur-Keramikkachel mit Zeichnungen unter anderem von Robert Rauschenberg, Claes Oldenburg und Andy Warhol zurück. Warhols Beitrag: ein Penis-Graffito.

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Als nächster Künstler, der über die Erde hinauswill, wartet der in Dubai lebende Brite Sacha Jafri. Sein bisheriger Karrieregipfel war der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde für das „größte Leinwandgemälde der Welt“. Nun hat Jafri ein verschnörkeltes Herz in Gold graviert, zu dem NFTs – für wohltätige Zwecke – verkauft wurden, und das bald „auf ewig“ den Mond zieren soll. Ein Gutes hat die Mondkunst: Von der Erde aus betrachtet, bleibt sie bislang völlig unsichtbar.

QOSHE - Die Kunst der Mondmänner - Ursula Scheer
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Die Kunst der Mondmänner

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21.02.2024

Von der Cartoon- und Comiczeichnerin Roz Chast, die sich im „New Yorker“ als Meisterin des Kleinformats beweist, gibt es eine herrliche Bilderreihe über „Manspreading in Art“, also das auf die Künste über­tragene männliche Sich-Breitmachen nach Art raumgreifender Sitzhaltungen. Einen 1200-Seiten-Wälzer namens „Mein großartiges Genie“ setzt Chast mit ironisch bebendem Strich ins Bild, eine riesige Mauer mit entsprechendem Schattenwurf, die als „disruptiv“ gefeiert wird, und einen „mehr als eine Milliarde“ teuren Kinofilm „Roboterkriege in 5 D“. Der Cartoon ist schon ein paar Jahre alt; heute könnte die Zeichnerin ein Bild über transterrestrische Kunstexpansion anfügen, wie sie Jeff Koons betreibt.

Der für seine „Balloon Dogs“ berühmte, mutmaßlich reichste Künstler unserer Tage dehnt seine Ausstellungsreichweite bis auf den........

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