Mit Pauke und Schellenbaum sind jüngst die letzten Mali-Rückkehrer begrüßt worden. Doch die warmen Worte der Dankbarkeit, vom Minister in den kalten Nieselregen des niedersächsischen Wunstorf gesprochen, täuschen nicht darüber hinweg, dass auch dieser Auslandseinsatz mit einer weiteren schweren Niederlage für die deutsche Außenpolitik zu Ende gegangen ist. Die Umstände des Abzugs waren nur etwas weniger schmachvoll als die überstürzte Flucht aus Afghanistan, wo Zehntausende Soldaten der Bundeswehr über fast zwanzig Jahre hinweg versucht hatten, den Islamisten die Stirn zu bieten.

An den Hindukusch war Deutschland auf Bitten der Vereinigten Staaten gegangen. Dass deutsche Sicherheit dort verteidigt werde, hatte Jahr für Jahr immer weniger eingeleuchtet. Nach Mali war die Bundeswehr entsandt worden, weil die französische Armee es allein nicht schaffte, die angreifenden Tuareg und Islamisten zu stoppen und gleichzeitig die Regierung in Bamako und deren demoralisierte Streitkräfte aufzurichten.

Das Ergebnis des Einsatzes, nüchtern betrachtet: In Bamako regiert nach mehreren Putschen ein Obristen-Regime. Die Armee des Landes, ertüchtigt durch EU-Ausbilder, ist heute Partner der russischen Söldner-Bande Wagner. Frankreich wurde mit Fußtritten aus dem Land befördert, die Bundeswehr monatelang schikaniert.

Vergeblich hat der sozialdemokratische Verteidigungsminister Boris Pistorius versucht, den unvermeidlichen Abzug zu beschleunigen. Das grün geführte Auswärtige Amt hielt unverdrossen an der absurd gewordenen Mission fest. Treu bis zum bitteren Ende. So lange nämlich, bis auch Deutschland von den Obristen in Bamako und ihren Hintermännern in Moskau rausgeworfen wurde. Der Abzug endete beinahe im Chaos und ist noch gar nicht ganz beendet.

Denn auch im nächsten Freundesland wurde geputscht. Der demokratische Partner Niger fiel ebenfalls unter die Militärs. Frankreich wurde die Tür gewiesen, die Bundeswehr schikaniert, die Beziehungen zu Moskau wurden immer besser. Fast das Gleiche wie in Mali. Seit Wochen ist der deutsche Lufttransportstützpunkt Niamey gesperrt, die rund hundert Bundeswehrsoldaten dort haben nichts abzuwickeln. Offen ist, ob sie ausreisen dürften, wenn sie wollten. Auch deswegen ist Pistorius am Dienstag nach Niger geflogen. Er hat mit den Machthabern geredet und wollte unter den Soldaten vorweihnachtliche Hoffnung verbreiten. Am liebsten will der Minister den Stützpunkt halten. Wozu eigentlich?

Die letzten Kontingenttruppen der Mali-Mission durften den naheliegenden Flugplatz Niamey jedenfalls nicht nutzen. Sie mussten von Gao aus über Dakar in Senegal ausfliegen. Ein Konvoi mit wertvoller Ausrüstung sollte auf dem Landweg folgen, er steckt jetzt irgendwo zwischen den beiden Militärdiktaturen fest. Politische Konsequenzen haben beide Fehlengagements deutscher Außenpolitik nicht gehabt. Im Bundestag arbeitet ein Untersuchungsausschuss mühsam die Afghanistan-Jahre auf, noch immer hängen Tausende potentiell Verfolgte am Hindukusch fest, denen das Auswärtige Amt vor zwei Jahren ein Aufnahmeversprechen gegeben hat.

Trotz dieser deprimierenden Bilanz ist der Rückzug auf Binnenpolitik und Landes- und Bündnisverteidigung keine Option. Die rasch aufein­anderfolgenden Krisen in Sudan, im östlichen Mittelmeer und aktuell am Horn von Afrika zeigen, dass Deutschland seine Bürger und seine Interessen schützen muss. Deutsche Streitkräfte bleiben international gefordert, das gilt sowohl für Luftlandetruppen der Division Schnelle Kräfte (DSK) als auch für die Marine. Mehrfach haben sie in jüngerer Zeit bewiesen, dass sie schnell und robust eingreifen und helfen können, ob in Kabul, Karthum oder auf Zypern.

Die Bundeswehr tut gut daran, ihre mühsam und in teils vergeblichen Missionen erworbenen Kompetenzen zu bewahren und zu verbessern. Die Welt wird keineswegs idyllischer, seit Deutschland sich entschlossen hat, mehr Verantwortung zu übernehmen. Woran es noch hapert, abgesehen von einer Strategie, zeigt schon das juristisch-bürokratische Klein-Klein der vergangenen Tage um eine bewaffnete Mission in den Gewässern, in denen Huthi-Truppen den Schiffsverkehr durch den Suezkanal zum Erliegen bringen wollen. Mittlerweile ist diese Lebensader des Welthandels praktisch gesperrt.

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QOSHE - Deutschland bleibt gefordert - Peter Carstens
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Deutschland bleibt gefordert

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22.12.2023

Mit Pauke und Schellenbaum sind jüngst die letzten Mali-Rückkehrer begrüßt worden. Doch die warmen Worte der Dankbarkeit, vom Minister in den kalten Nieselregen des niedersächsischen Wunstorf gesprochen, täuschen nicht darüber hinweg, dass auch dieser Auslandseinsatz mit einer weiteren schweren Niederlage für die deutsche Außenpolitik zu Ende gegangen ist. Die Umstände des Abzugs waren nur etwas weniger schmachvoll als die überstürzte Flucht aus Afghanistan, wo Zehntausende Soldaten der Bundeswehr über fast zwanzig Jahre hinweg versucht hatten, den Islamisten die Stirn zu bieten.

An den Hindukusch war Deutschland auf Bitten der Vereinigten Staaten gegangen. Dass deutsche Sicherheit dort verteidigt werde, hatte Jahr für Jahr immer weniger eingeleuchtet. Nach Mali war die Bundeswehr entsandt worden, weil die französische Armee es allein nicht schaffte, die angreifenden Tuareg und Islamisten zu stoppen und gleichzeitig die Regierung in Bamako und deren demoralisierte Streitkräfte aufzurichten.

Das Ergebnis des Einsatzes, nüchtern betrachtet: In Bamako regiert nach mehreren Putschen ein Obristen-Regime. Die Armee des Landes, ertüchtigt durch EU-Ausbilder, ist heute Partner der russischen Söldner-Bande Wagner. Frankreich........

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