In Deutschland kommt etwas in Bewegung. Nach Monaten lähmender Starre hellt sich das Geschäftsklima der Unternehmen auf. Damit dürfte zumindest vorerst die Gefahr vom Tisch sein, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wieder in eine Rezession abrutscht. Wem das zu pessimistisch klingt, der sei daran erinnert: Auch mit einem Wachstum von 0,3 Prozent, das die Regierung nun hoffnungsfroh erwartet, ist die Wirtschaft nur einen Hauch von Stagnation und Rezession entfernt.

Das gilt zumal, weil in der konjunkturellen Zuversicht gewaltige Bruchstellen klaffen. Schon im vergangenen Jahr trog die Hoffnung, dass die Verbraucher allmählich den Inflationsschock überwinden und wieder zu einem regulären Konsumverhalten zurückfinden.

Auch in diesem Jahr könnte sich diese Hoffnung als Trugschluss herausstellen. Sicher, die Energiepreise und die Inflation sinken, und die Reallöhne steigen. Doch kein Ökonom und kein Minister kann sicher sein, dass die Verbraucher deshalb mehr konsumieren werden. Dafür war der erste Inflationsschock seit Jahrzehnten zu ungewöhnlich, als dass übliche Lehrbuchweisheiten noch stimmen.

Noch schwerer wiegt, dass das aufgehellte Geschäftsklima dem April­wetter gleicht: bei den Dienstleistungen fast frühlingshafter Sonnenschein, im Baugewerbe und in der Industrie winterliche Kälte. Eine so gespaltene Konjunktur ist keine Basis für eine dauerhafte Erholung.

Es ist deshalb falsch, wenn der Kanzler den Industriegrößen und den Wählern weismachen will, die Regierung habe doch alles getan, um Wachstumsperspektiven zu eröffnen. Obwohl die Weltwirtschaft ein wenig Fahrt aufnimmt, springt der deutsche Exportmotor nicht an. Die Nachfrage aus dem Ausland stockt. Zugleich tragen deutsche Unternehmen Investitionen ins Ausland.

All das sind Signale für eine geoökonomische Spaltung der Welt, die aber wahrscheinlich noch ganz am Anfang steht. Wichtigstes Mittel gegen damit verbundene Risiken ist, Schwächen nicht schönzureden, sondern sich ständig im Standortwettbewerb zu verbessern. Es wird Zeit, dass sich auch in Berlin etwas bewegt.

QOSHE - Bruchstellen in der Zuversicht - Patrick Welter
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Bruchstellen in der Zuversicht

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24.04.2024

In Deutschland kommt etwas in Bewegung. Nach Monaten lähmender Starre hellt sich das Geschäftsklima der Unternehmen auf. Damit dürfte zumindest vorerst die Gefahr vom Tisch sein, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wieder in eine Rezession abrutscht. Wem das zu pessimistisch klingt, der sei daran erinnert: Auch mit einem Wachstum von 0,3 Prozent, das die Regierung nun hoffnungsfroh erwartet, ist die Wirtschaft nur einen Hauch von Stagnation und Rezession entfernt.

Das gilt zumal, weil in der konjunkturellen........

© Frankfurter Allgemeine


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