Wie Fridays for Future zum Nahostkonflikt steht, war lange vor dem Massaker der Hamas klar. Der internationale Ableger warf Israel auf der Plattform X, vormals Twitter, schon vor Monaten „Apartheid und Neokolonialismus“ vor, sprach von „Imperialismus“ und verklärte palästinensische Terroristen zu „Märtyrern“. Ein Beitrag endete mit den Worten „Yallah Intifada!“, einem Aufruf zum Widerstand, der Gewalt gegen Zivilisten mindestens duldet, wenn nicht gutheißt. Nach dem 7. Oktober ging es so weiter. Die Rede war von einem „Völkermord“ an den Palästinensern und von einer angeblichen „Gehirnwäsche“ westlicher Medien. Es war der Schlusspunkt einer langen Entwicklung.

Man kann sich darüber streiten, ob das antisemitisch ist oder nur überzogene Kritik an Israel. Aber zu welchem Schluss man auch kommt, klar ist jedenfalls: Die Bewegung ist abgedriftet, sie ist politisch einseitig geworden. Damit hat sie sich selbst beschädigt und ihre Autorität in Klimafragen entwertet.

Die bestand ja gerade darin, sich aus den politischen Grabenkämpfen herauszuhalten und das Ganze im Blick zu behalten. Die Schüler von Fridays for Future waren neutrale Mahner. Sie erinnerten die Erwachsenen an ihre Verantwortung, einen lebenswerten Planeten zu erhalten, ob sie nun die Grünen wählten oder die Union.

Der deutsche Arm von Fridays for Future hat sich von den israelfeindlichen Beiträgen der Hauptgeschäftsstelle abgegrenzt. Er hat den Terror der Hamas verurteilt. Man kann ihm auch zugutehalten, dass er besonders israelfeindliche Leute aus seinen Reihen ausgeschlossen hat.

Das ist für eine Jugendbewegung nicht selbstverständlich, schon gar nicht für eine, die es erst seit fünf Jahren gibt. Und doch haben auch die deutschen Aktivisten selbst den Klimaschutz aus den Augen verloren. Man muss sich nur die Profile vieler Mitglieder in den sozialen Netzwerken ansehen. Da geht es vor allem um Antikolonialismus, Antirassismus und Antikapitalismus, erst dann geht es ums Klima.

Kurzfristig bringt das die Bewegung sogar voran. Es mobilisiert die Anhänger. Jugendliche interessieren sich für alles Mögliche, sie wollen den Planeten retten, aber auch ein Zeichen setzen gegen rechts oder den Kapitalismus kritisieren. Auf den Demonstrationen denken viele ähnlich.

Wenn da mal ein paar Leute „System change, not climate change“ skandieren, haben sie gute Chancen, dass andere in den Chor einstimmen. Ähnlich ist es im Internet. Wer griffige Worte gegen die Union richtet, wird von Gleichaltrigen eher Zuspruch erhalten als Widerspruch. So was klickt sich. Also kommen immer mehr Themen dazu. Und die Meinungen werden einseitiger. Wo ist das Problem? Die Kumpels von der Demo kommen doch Woche für Woche wieder.

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Es gibt allerdings Leute, die sich ausschließlich für Klimaschutz interessieren. Es gibt welche, die Rassismus schlimm finden, aber beim Klimaprotest nichts davon hören wollen. Oder solche, die es für eine identitätspolitische Verirrung halten, wenn nur noch Aktivisten mit Migrationshintergrund sprechen sollen. Es gibt sogar welche, die der Ansicht sind, dass eine brummende Wirtschaft den Klimaschutz voranbringt. So verliert die Bewegung das, was sie einst auszeichnete: ihre Unterstützung in der Breite. Die Aktivisten von Fridays for Future schauen nicht mehr auf den Horizont, sie sind im Schützengraben angekommen. Und da graben sie sich gerade ein.

QOSHE - Um Klimaschutz geht es nur noch am Rande - Morten Freidel
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Um Klimaschutz geht es nur noch am Rande

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20.11.2023

Wie Fridays for Future zum Nahostkonflikt steht, war lange vor dem Massaker der Hamas klar. Der internationale Ableger warf Israel auf der Plattform X, vormals Twitter, schon vor Monaten „Apartheid und Neokolonialismus“ vor, sprach von „Imperialismus“ und verklärte palästinensische Terroristen zu „Märtyrern“. Ein Beitrag endete mit den Worten „Yallah Intifada!“, einem Aufruf zum Widerstand, der Gewalt gegen Zivilisten mindestens duldet, wenn nicht gutheißt. Nach dem 7. Oktober ging es so weiter. Die Rede war von einem „Völkermord“ an den Palästinensern und von einer angeblichen „Gehirnwäsche“ westlicher Medien. Es war der Schlusspunkt einer langen Entwicklung.

Man kann sich darüber streiten, ob das antisemitisch ist oder nur überzogene Kritik an Israel. Aber zu welchem Schluss man auch kommt, klar ist jedenfalls: Die Bewegung ist abgedriftet, sie ist politisch einseitig geworden. Damit........

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