Endlich Herbst! Endlich sind die hellen und heißen Tage vorbei, an denen das Leben im Freien stattfindet. Endlich dimmt die Jahreszeit schon am Nachmittag das Licht. Wir machen es uns in der Küche gemütlich. Slow Food, slow mood. Was gibt es Besseres, als an einem Samstagnachmittag neun Liter Fond aufzusetzen, um kurz vor dem Siedepunkt den entstehenden Schaum zu beobachten, den man mit einem Löffel immer wieder abschöpft.

Zuvor genießen wir jeden einzelnen Schnitt mit unserem Lieblingsmesser auf unserem Lieblingsschneidebrett, während draußen der Regen gegen die Scheibe klopft. Auch wenn die Induktion allen anderen Herdarten technisch überlegen ist, gibt es nichts Schöneres als die gelbblauen Flammen eines Gaskochfeldes. Man könnte fast auf das Licht der LED-Lampen verzichten. Sie stören nur die weihnachtliche Stimmung in der Küche. Der Backofen wird zur Wärmequelle.

Der kühle Riesling ist dem wohligen Spätburgunder gewichen. Keine hektischen Gedanken am Morgen, welcher Weißwein für den Abend gekühlt werden muss, sondern heimliche Gebete am Abend, dass der Rote, der gerade noch im Keller weilte, zum Essen passt. Am dämmrigen Nachmittag bleibt genügend Zeit, um zu Hause über die Kaffeezubereitung nachzudenken: Filter, Americano, Doppio oder Cappuccino? Das Kunstwerk aus der Patisserie schmilzt nicht auf dem Balkon dahin, es hält auf dem Tisch tapfer seine Form, bis es im Magen verschwindet.

Und am Sonntag hat das Fleischthermometer endlich wieder eine Aufgabe. Denn der Braten kehrt zurück auf den Tisch. Dem lästigen Verdauungsspaziergang nimmt der November seine Legitimität. Wozu sollte man durch die dunkle, triste, regnerische Stadt trotten, wenn zu Hause der Sessel und ein guter Schluck Whisky warten. In den Novembernächten träumt es sich am besten.

QOSHE - Ab in die Küche - Marco Dettweiler
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Ab in die Küche

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08.11.2023

Endlich Herbst! Endlich sind die hellen und heißen Tage vorbei, an denen das Leben im Freien stattfindet. Endlich dimmt die Jahreszeit schon am Nachmittag das Licht. Wir machen es uns in der Küche gemütlich. Slow Food, slow mood. Was gibt es Besseres, als an einem Samstagnachmittag neun Liter Fond aufzusetzen, um kurz vor dem Siedepunkt den entstehenden Schaum zu beobachten, den man mit einem Löffel immer wieder abschöpft.

Zuvor genießen........

© Frankfurter Allgemeine


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