Das Protestcamp auf dem Campus der Goethe-Universität in Frankfurt ist ein prägnantes Beispiel dafür, wie groß die Freiräume sind, die das Versammlungsrecht in Deutschland gewährt. Eine propalästinensische Gruppierung, die aus Sicht der Sicherheitsbehörden nicht unkritisch zu sehen ist, hat dort ihre Zelte aufgeschlagen. Wenn es nach ihrem Willen geht, eine ganze Woche lang. Weder die Stadt Frankfurt wollte das Camp dulden, noch die Universität. Beide reagierten mit strikten Auflagen und einem Eilverfahren beim Frankfurter Verwaltungsgericht. Und doch war es den Demonstranten möglich, das Zeltlager aufzubauen, weil das Recht auf Versammlungsfreiheit weit ausgelegt werden kann.

Mit jedem Konflikt, mit jedem Krieg, mit jeder politisch oder religiös motivierten Auseinandersetzung stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf die deutschen Großstädte hat. Seit Jahren schon richten die Sicherheitsbehörden in Hessen den Blick auf das internationale Geschehen – denn wenn sich ein Konflikt verschärft, kann man regelmäßig annehmen, dass dieser stellvertretend auch auf Frankfurts Straßen ausgetragen wird. Das gilt insbesondere seit dem 7. Oktober für den Nahostkonflikt. Bisher blieb es bei den propalästinensischen Protesten weitgehend friedlich. Doch ist unschwer zu erkennen, dass die Aktivisten bewusst in jener Grauzone zündeln, in der legitime Kritik am politischen Vorgehen Israels in eine antisemitische Haltung übergeht.

Wenn nun also über das Camp an der Goethe-Universität diskutiert wird, von dem es möglicherweise schon bald ein zweites geben soll, dann ist das kein Protest wie jeder andere. Schon deshalb nicht, weil auch Deutschland von diesen Gruppierungen in Mithaftung genommen und dem Land vorgeworfen wird, „Kriegstreiber“ zu sein – ein Nährboden für alle, die die Bundesrepublik ohnehin gerne als Feindbild ansehen.

Das strikte, einheitliche Vorgehen von Universität, Stadt Frankfurt und auch der Polizei ist am Ende konsequent. Man würde sich nur wünschen, dass auch in der Justiz ein Umdenken stattfindet. Die Parole „From the river to the sea“ ist keine Äußerung, die nur die geringste Legitimation verdient.

QOSHE - Auch Deutschland wird zum Feind - Katharina Iskandar
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Auch Deutschland wird zum Feind

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21.05.2024

Das Protestcamp auf dem Campus der Goethe-Universität in Frankfurt ist ein prägnantes Beispiel dafür, wie groß die Freiräume sind, die das Versammlungsrecht in Deutschland gewährt. Eine propalästinensische Gruppierung, die aus Sicht der Sicherheitsbehörden nicht unkritisch zu sehen ist, hat dort ihre Zelte aufgeschlagen. Wenn es nach ihrem Willen geht, eine ganze Woche lang. Weder die Stadt Frankfurt wollte das Camp dulden, noch die Universität. Beide reagierten mit strikten Auflagen und einem Eilverfahren beim Frankfurter........

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