Sowas hat die Welt noch nicht gesehen: wie den Teilnehmern des UN-Klimagipfels die Millionen-Dollar-Schecks schon an den ersten Tagen nur so um die Ohren flogen. Und auch der deutsche Kanzler der Fortschrittskoalition, den das oberste Gericht kürzlich fast mittellos hat dastehen lassen, nahm sein schubweise grünelndes Herz in die Hand und warf mal eben schnell 100 Millionen Anschubfinanzierung in den globalen Katastrophenfonds. „Wir müssen uns beeilen“, warf Scholz noch hinterher, wenn das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten werden solle.

Vier Tage später waren es 600 Millionen, was zwar immer noch 300 Millionen Dollar weniger ist als der Marktwert des Kaders von Manchester City und weniger als ein Zehntel der versicherten Kosten der Ahrtal-Katastrophe; aber was hängen bleibt: Die Rechnungen sollen beglichen werden. US-Präsident Joe Biden, typisch amerikanisch, kommt erst gar nicht zum Gipfel, lässt seinen Diplomatenveteranen John Kerry aber immerhin eine historisch hohe Drei-Milliarden-Dollar-Zusage für den Klimafonds überbringen.

Ertrunken ist bislang allerdings noch keiner im Geldregen von Dubai, so viel ist sicher. Die globale Öl- und Gasindustrie ist da einiges näher dran. In den ersten Tagen des UN-Gipfels hat sie netto 16 Milliarden Euro eingestrichen, auch deshalb geben die Tausende von Klimaabgesandten, die nicht zur Industrielobby zu rechnen sind, keine Ruhe und wollen mehr. Sie wollen, wie sie mitteilen, das geregelte, aber absehbare Ende der Öl- und Gasförderung beschlossen haben.

Tatsächlich ist das die eigentliche Frontlinie in diesem epischen Kampf um die Weltrettung. Das Geschäftsmodell des fossilen Industriezeitalters steht zur Disposition. Und weil der Präsident des Klimagipfels, der einem der weltgrößten Konzerne der Branche vorsteht, im Konzert der wichtigsten Öl- und Gas-Exportnationen schon im Vorfeld zu erkennen gab, dass er sich darauf erst gar nicht einlassen will, sondern nach „emissionsarmen Lösungen“ sucht, um die Quellen weiter sprudeln zu lassen, könnte die Stimmung schnell kippen. Zumal am Wochenende eine Videokonferenz von eben jenem Cop28-Präsident Sultan al Dschaber viral gegangen ist, in der er behauptet, ein Ausstieg aus der Öl- und Gasnutzung werde kaum helfen, die nötige Transformation in eine klimafreundliche Energiezukunft zu schaffen - eine grobe Fehlinformation, die sich leicht durch Lektüre der jüngsten Weltklimaberichte widerlegen lässt.

Tatsächlich ist schon jetzt eine diplomatische Unernsthaftigkeit in den Verhandlungen zu erkennen. Es ist derselbe Unernst, den man fast allen Klimagipfeln anlasten kann: dass die offiziellen Ansprachen den minimalen moralischen Ansprüchen zwar entsprechen, die man angesichts eines nahe am Kollaps sich bewegenden Planeten erwarten darf; dass die praktischen Anforderungen aber danach nachweislich nicht eingelöst werden. Die Internationale Energieagentur hat eines der Hauptprobleme schon vor der Konferenz numerisch vor Augen geführt: An dem Boom der billigen Solar- und Windenergie beteiligt sich die Öl-, Kohle- und Gasbranche bisher praktisch nicht, lediglich ein Prozent der Investitionen in grüne Energie steuert sie bei.

Die 800 Milliarden Dollar jährlich, die die hochgradig subventionierte Industrie in die Exploration und Förderung fossiler Brennstoffe steckt, sind immer noch doppelt so viel wie in ein paar Jahren für die klimaschonende Transformation der Energiesysteme benötigt werden. Wie sagte der langjährige kanadische Premier und Klimagipfelprofi, Justin Trudeau, jüngst nach einem neuen Ölfund: „Kein Land der Welt, das 173 Milliarden Barrel Öl unter seinem Grund findet, würde es da liegen lassen.“

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Die von den 25 weltgrößten Konzernen im Öl- und Gassektor allein zwischen 1985 und 2018 verursachten Klimaschäden werden in einem neuen Bericht der Berliner Denkfabrik Climate Analytics auf 20 Billionen Dollar geschätzt. Verglichen mit den 30 Billionen Dollar, die sie im selben Zeitraum verdient haben, hätten die Unternehmen ihren Anteil an den Klimaschäden also durchaus bezahlen können und trotzdem noch rund zehn Billionen Dollar Profit eingefahren. Stattdessen aber: keine Zugeständnisse in Dubai, vielmehr Greenwashing von der Stange.

Cop-Präsident Sultan al-Dschaber kündigte zum Wochenende in einem Übereinkommen mit diversen Förderländern die „Klimaneutralität“ der Öl- und Gasbranche an. Was nicht etwa heißt, dass der Ausstieg aus der Fossilära beginnen könnte, sondern lediglich, dass die Lecks und Emissionen an den Förderquellen ein Ende haben sollen. Die anderen 95 Prozent der Emissionen, die durch die Öl- und Gasverbrennung in die Luft geblasen werden, sind nicht Teil der Ankündigung.

QOSHE - Sie könnten, aber sie wollen nicht! - Joachim Müller-Jung
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Sie könnten, aber sie wollen nicht!

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03.12.2023

Sowas hat die Welt noch nicht gesehen: wie den Teilnehmern des UN-Klimagipfels die Millionen-Dollar-Schecks schon an den ersten Tagen nur so um die Ohren flogen. Und auch der deutsche Kanzler der Fortschrittskoalition, den das oberste Gericht kürzlich fast mittellos hat dastehen lassen, nahm sein schubweise grünelndes Herz in die Hand und warf mal eben schnell 100 Millionen Anschubfinanzierung in den globalen Katastrophenfonds. „Wir müssen uns beeilen“, warf Scholz noch hinterher, wenn das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten werden solle.

Vier Tage später waren es 600 Millionen, was zwar immer noch 300 Millionen Dollar weniger ist als der Marktwert des Kaders von Manchester City und weniger als ein Zehntel der versicherten Kosten der Ahrtal-Katastrophe; aber was hängen bleibt: Die Rechnungen sollen beglichen werden. US-Präsident Joe Biden, typisch amerikanisch, kommt erst gar nicht zum Gipfel, lässt seinen Diplomatenveteranen John Kerry aber immerhin eine historisch hohe Drei-Milliarden-Dollar-Zusage für den Klimafonds überbringen.

Ertrunken ist bislang allerdings noch keiner im Geldregen von Dubai, so viel ist sicher. Die globale Öl- und Gasindustrie ist da einiges näher dran. In den ersten Tagen des UN-Gipfels hat sie........

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