Der Klimagipfel in den Emiraten ist mit einem satten Wohlfühlversprechen gestartet: Zuversicht ist die beste Medizin für den kranken Planeten. Ein nach jahrelangem Streit eingerichteter Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden löst zwar nicht die Krise des Klimawandels, aber er stimuliert bestimmt das Belohnungszentrum Tausender Verhandler. Der Geist von Paris ist wieder erwacht. Und auch der Vorsteher der Konferenz, COP28-Präsident Sultan al-Jaber, sieht seine sorgfältigen Vorbereitungen für dieses nicht zuletzt für sein eigenes Öl- und Gasimperium wegweisende UN-Treffen belohnt.

Die Frage ist jetzt: Wie weit trägt dieser verführerische Optimismus? Die gas- und ölfördernden Nationen und Konzerne wollen verhindern, dass in Dubai ein an sich unvermeidlicher schneller Ausstieg aus der fossilen Brennstoffnutzung beschlossen wird. Erreichen wollen sie das mit einem weiteren verführerischen Angebot: Die Öl- und Gasgeschäfte sollen weiterlaufen, lediglich die klimaschädlichen Abgase werden technisch entsorgt. Ein Hoch auf die Ingenieurskunst. Welcher moderne Staat kann da schon Nein sagen? Die Crux des Versprechens liegt darin, dass die beworbenen Verfahren in der notwendigen Größenordnung Phantasiegebilde sind. Anders gesagt: Sie sind ungedeckte Wechsel auf eine gute Klimazukunft.

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Im Kern geht es um zweierlei: Zum einen um die punktuelle Entsorgung von Kohlendioxid an der Quelle, also dort, wo Öl, Gas oder auch die Kohle verbrannt werden. Solche CCS-Techniken sind seit Jahrzehnten in der Entwicklung. Zum anderen um künstliche oder naturbasierte Kohlenstoffentnahmen aus der Luft, kurz CDR. Um „Direct-air-cap­ture“-Fabriken etwa, die irgendwo aus Kohlendioxid im Idealfall Rohstoffe produzieren können. Das naturbasierte Pendant wäre die großflächige Aufforstung oder das Verbrennen von Bioenergiepflanzen mit anschließender Gasabscheidung.

Der Weltklimarat IPCC hat den gezielten Entzug von Kohlendioxid aus Abgasen oder aus der Luft längst als langfristig notwendige Klimaschutzmaßnahme eingestuft. In jedem Szenario zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels spielt sie eine Rolle. Genau genommen ist das Ziel der Klimaneutralität für viele Länder überhaupt nur zu erreichen, wenn sie diese Option mit einrechnen.

Was nicht erwähnt wird: Bisher ist dieser technologische Ausweg ein Wunschdenken. Die bisherigen CCS-Anlagen werden überwiegend von Öl- und Gasproduzenten genutzt – nicht um Kohlendioxid aus der Luft zu entsorgen, sondern um weiter Brennstoff zu fördern. Sie sind unwirtschaftlich und unterdimensioniert. Bisher werden nur 0,1 Prozent der globalen Emissionen erfasst. Noch mehr Unwägbarkeiten bestehen bei den anderen Verfahren. Wollte man mit der chemischen CO2-Umwandlung die Temperatur auch nur um ein Zehntelgrad senken, müssten dafür aktuellen Berechnungen zufolge mehr als zwanzig Billionen Euro investiert werden.

Die Techniken sind bisher also vor allem teuer und ökologisch nur mit grünem Strom denkbar. Wie die vorgeschlagenen Aufforstungen in Konkurrenz stehen zur Nahrungsmittelproduktion und kaum abzurechnen sind auf einem globalen Kohlenstoffmarkt – wenn es diesen denn gäbe.

Eine hochskalierte Klimagas-Entsorgung wird erst dann Sinn ergeben, wenn konsequent stärker zur Kasse gebeten wird, wer viel klimaschädliches Gas freisetzt. Emissionsvermeidung muss sich lohnen. Auch weil ein dafür nötiger Preis auf Kohlendioxid nicht vorankommt, gibt es bisher nur Pilotanlagen und -projekte.

In den kommenden ein, zwei Jahrzehnten also – es ist die entscheidende Phase, um das Klima stabil zu halten – werden die Techniken kaum einen großen Beitrag leisten können. Zuerst müssen die Emissionen konsequent gedrosselt, müssen wir energieeffizienter werden, die klimaschonende Erzeugung von Energie vorantreiben und immer mehr elektrifizieren. Erst dann, wenn die schwer zu vermeidenden Emissionen aus Landwirtschaft oder Industrie neutralisiert werden und wenn ein Temperaturüberschuss auf dem Planeten kompensiert werden muss, geht es nicht ohne die CCS- und CDR-Techniken. Bis dahin muss geforscht und der Kohlenstoffmarkt vollendet werden.

Eine realistische Klimapolitik kann deshalb in Dubai nur bedeuten, die richtigen Prioritäten zu setzen. Spekulative Technologien sind kein Ersatz für entschiedene Emissionsminderung. Technologien dürfen auch nicht als Ablenkungsmanöver missbraucht werden, schon aus rechtlichen Gründen. Machen sich die Vertragsstaaten zur Erfüllung ihrer kurzfristigen Verpflichtungen allzu abhängig von unrealistischen Klimaversprechen, müssen sie, wie zuletzt immer öfter, damit rechnen, von Gerichten zu ambitionierterem Klimaschutz verpflichtet zu werden.

QOSHE - Lockruf aus der Klimazukunft - Joachim Müller-Jung
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Lockruf aus der Klimazukunft

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01.12.2023

Der Klimagipfel in den Emiraten ist mit einem satten Wohlfühlversprechen gestartet: Zuversicht ist die beste Medizin für den kranken Planeten. Ein nach jahrelangem Streit eingerichteter Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden löst zwar nicht die Krise des Klimawandels, aber er stimuliert bestimmt das Belohnungszentrum Tausender Verhandler. Der Geist von Paris ist wieder erwacht. Und auch der Vorsteher der Konferenz, COP28-Präsident Sultan al-Jaber, sieht seine sorgfältigen Vorbereitungen für dieses nicht zuletzt für sein eigenes Öl- und Gasimperium wegweisende UN-Treffen belohnt.

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