War das ein Versprechen oder eine Drohung? Beim Blick in das Kapitel zur Migration im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen „schüttelt es einen“, sagte die Bundesinnenministerin und hessische SPD-Chefin Nancy Faeser am Samstag. Sie fügte hinzu, dass laut Vereinbarung das zuständige Landesministerium aber von einem Sozialdemokraten geführt werde. Für die Themen Migration und Integration werde man einen eigenen Staatssekretär einsetzen. Und damit es auch der letzte Zuhörer des SPD-Parteitags verstand, der sich mit dem Koalitionsvertrag befasste, hob Faeser in diesem Zu­sammenhang gleich zweimal hervor, dass sie volles Vertrauen in die verantwortlichen Sozialdemokraten habe. Sie würden schon aufpassen, dass es nicht so schlimm werde, sollte das heißen.

Das Versprechen, mit dem Faeser bei den skeptischen Delegierten um deren Zustimmung zum Koalitionsvertrag warb, dürfte in den Ohren des Bündnispartners wie eine Drohung klingen. Die CDU muss der Passage in Faesers Rede entnehmen, dass die SPD bei der Verwirklichung der zur Migration getroffenen Vereinbarungen Schwierigkeiten machen wird. Nichts anderes bedeutet es, wenn die SPD-Vorsitzende öffentlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie den Inhalt mancher Formulierung eigentlich ab­­lehnt. Das ist übrigens keine Überraschung, wenn man sich vor Augen führt, welche Positionen die Bundesinnenministerin in den zurückliegenden Monaten eingenommen hat. So tritt schon vor der offiziellen Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ein offensichtlich nicht bereinigter in­haltlicher Konflikt offen zutage.

Mehr zum Thema

1/

Regierungsbildung in Hessen : Schwarz-roter Koalitionsvertrag in Hessen ist beschlossen

Regierungsbildung in Hessen : Apotheker froh, Beamte kritisch, FDP abwartend

Neue Koalition in Hessen : CDU bekommt Ministerien für Umwelt und Heimat

Dass die SPD an diesem Punkt schon bald einen Bruch der Koalition riskiert, ist aber eher unwahrscheinlich. Günter Rudolph, der Chef der Landtagsfraktion, nennt als Grund dafür, dass man in den Verhandlungen über die Migration nachgegeben habe, den „hohen Erwartungsdruck“ aus den Kommunen. Er wird nicht nachlassen. Im Übrigen wäre der Gang in die Opposition für die hessische SPD existenzbedrohend.

Faesers zweite Ansage lautete: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“ Schon heute müsse die Partei sich Gedanken über die Frage machen, wie sie sich auf die nächste Landtagswahl vorbereite, erklärte sie. Im Februar werden die Führungsgremien der SPD sich bei einer Klausurtagung mit dem Thema befassen. Ein paar Wochen später steht turnusgemäß die Neuwahl des Landesvorstands an. Alles deutet darauf hin, dass Faeser den Weg für einen neuen Hoffnungsträger freimacht.

QOSHE - Die Sollbruchstelle im neuen hessischen Regierungsbündnis - Ewald Hetrodt
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Die Sollbruchstelle im neuen hessischen Regierungsbündnis

7 0
17.12.2023

War das ein Versprechen oder eine Drohung? Beim Blick in das Kapitel zur Migration im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen „schüttelt es einen“, sagte die Bundesinnenministerin und hessische SPD-Chefin Nancy Faeser am Samstag. Sie fügte hinzu, dass laut Vereinbarung das zuständige Landesministerium aber von einem Sozialdemokraten geführt werde. Für die Themen Migration und Integration werde man einen eigenen Staatssekretär einsetzen. Und damit es auch der letzte Zuhörer des SPD-Parteitags verstand, der sich mit dem Koalitionsvertrag befasste, hob Faeser in diesem Zu­sammenhang gleich zweimal hervor, dass sie volles Vertrauen in die verantwortlichen Sozialdemokraten habe.........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play