Betrachten wir es als eine Frechheit, dass es nicht grundsätzlich und überall möglich ist, Audiobeiträge im doppelten Tempo abzuspielen. Nehmen wir an, die Jüngeren in der Gesellschaft hätten sich daran gewöhnt, seien gewissermaßen süchtig geworden. Schuld seien Podcasts. Da hat sich das Hören in erhöhter Geschwindigkeit eingeschlichen, im Wettstreit mit Kollegen, Freunden und Geschwistern, die sich bereits durch 77 Tiktok-Beiträge geswipt haben, bevor man selbst endlich fertig mit der neuesten „Lage der Nation“ ist.

Woraufhin klar wurde, dass Hören in einfacher Geschwindigkeit Zeitverplemperung ist, auch oder vor allem deshalb, weil in einigen Podcastformaten sehr lang herumgeredet wird. Und weil einige Podcaster selbst dazu auffordern, sich aus den Limitierungen der alten Radiozeiten zu befreien. Die Älteren der Gesellschaft stöhnen. Das ist ja wohl die übelste Verknappung, der Gipfel der Selbstoptimierung. Wie menschlich soll eine Stimme klingen, die in doppeltem Tempo spricht?

Nicht besonders, lässt sich auch im Kontext ellenlanger Sprachnachrichten zugeben, die, zügig durchgehört, praktischerweise aller Zwischentöne entledigt werden. Fakt ist allerdings auch: Ein normaler Sprecher bringt 150 Wörter in einer Minute unter. Das Gehirn kann aber bis zu 300 erfassen. Und: Wer schneller lernt, kann es sich besser merken. Die Konzentration ist höher, das Gehirn fordert mehr Leistung – und belohnt sie. Nicht zu vergessen das in Verruf geratene Dopamin, das die Aufmerksamkeit erhöht.

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2020 hat eine Studie der Stanford University ergeben, dass Studenten, die in Tempo 1,25 mit Audiodateien lernten, die besseren Noten bekamen. Voraussetzung ist natürlich, dass das Thema nicht so komplex ist, dass es zu Stress führt, der wiederum beim Lernen stört.

All diese Erkenntnisse wiegen dennoch nichts gegen das Millennials wie Boomern gleichermaßen einleuchtende Argument, man habe, wenn die Pflicht getan sei, schlicht mehr Zeit für das Schöne: etwa für ausgeruhte Hörbücher, Sprachnachrichten und Zeitungstexte.

QOSHE - Mehr Tempo, bitte - Elena Witzeck
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Mehr Tempo, bitte

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19.02.2024

Betrachten wir es als eine Frechheit, dass es nicht grundsätzlich und überall möglich ist, Audiobeiträge im doppelten Tempo abzuspielen. Nehmen wir an, die Jüngeren in der Gesellschaft hätten sich daran gewöhnt, seien gewissermaßen süchtig geworden. Schuld seien Podcasts. Da hat sich das Hören in erhöhter Geschwindigkeit eingeschlichen, im Wettstreit mit Kollegen, Freunden und Geschwistern, die sich bereits durch 77 Tiktok-Beiträge geswipt haben, bevor man selbst endlich fertig mit der neuesten „Lage der Nation“ ist.

Woraufhin klar wurde,........

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