Die Zeitenwende gilt auch für China. Als die F.A.Z. im Dezember 2011 als Erste darüber berichtete, dass der VW-Konzern in der Uiguren-Provinz Xinjiang ein Werk plante, regte das weder die Politik noch die Öffentlichkeit auf, die Wirtschaft erst recht nicht. Dabei war der politische Hintergrund schon damals klar: Das autoritäre Regime in Peking wollte die Unruheregion befrieden und sicherstellen, dass sich auch der Westen dort stabile Verhältnisse wünschte. VW wiederum brauchte die (kleine) Fabrik zwar nicht, wohl aber die Zustimmung zur weiteren Expansion anderswo auf dem wichtigsten Automarkt der Welt.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren sieht die geopolitische Lage ganz anders aus. Wenn auch spät, hat die Bundesregierung begriffen, dass Unrechtsregime keine verlässlichen Partner sind, sondern dass sie im In- und Ausland verbrecherische Ziele verfolgen und dass man deshalb die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von ihnen lösen muss.

Natürlich darf die Politik mit Steuergeld keine Unternehmensaktivitäten in Gebieten unterstützen, wo Minderheiten unterdrückt werden. Insofern war es richtig, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Investitionsgarantien für VW in Xinjiang nicht verlängerte. Auch Berlins – zahme – Chinastrategie mit dem Postulat des „De-Riskings“ atmet zum Glück einen neuen Realismus.

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Umso erstaunlicher ist, dass sich Niedersachsen als VW-Ankeraktionär lange so handzahm gegeben hat. Das ebenfalls SPD-geführte Hamburg und dessen Ex-Bürgermeister, Kanzler Olaf Scholz, sind in Sachen China ähnlich weichgespült, wie ihre konziliante Haltung zum chinesischen Einstieg in den Hafen Tollerort gezeigt hat. Es steht zu hoffen, dass der Druck der Öffentlichkeit und der Aktionäre dafür sorgt, dass sich nach BASF auch Volkswagen und andere westliche Unternehmen vollständig aus Xinjiang zurückziehen.

Jetzt ist es an der Zeit, über den Solarzellenrohstoff Polysilizium nachzudenken. Er kommt vorwiegend aus Xinjiang, wo er in Zwangsarbeit und mit Kohlestrom hergestellt wird. Die deutsche Energiewende steht also in enger Verbindung zum CO2-Ausstoß und den Menschenrechtsverletzungen dort. Auch dieses Geschäft muss möglichst bald beendet werden.

QOSHE - Rückzug aus Xinjiang, jetzt! - Christian Geinitz, Berlin
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Rückzug aus Xinjiang, jetzt!

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14.02.2024

Die Zeitenwende gilt auch für China. Als die F.A.Z. im Dezember 2011 als Erste darüber berichtete, dass der VW-Konzern in der Uiguren-Provinz Xinjiang ein Werk plante, regte das weder die Politik noch die Öffentlichkeit auf, die Wirtschaft erst recht nicht. Dabei war der politische Hintergrund schon damals klar: Das autoritäre Regime in Peking wollte die Unruheregion befrieden und sicherstellen, dass sich auch der Westen dort stabile Verhältnisse wünschte. VW wiederum brauchte die (kleine) Fabrik zwar nicht, wohl aber die Zustimmung zur weiteren Expansion anderswo auf dem wichtigsten Automarkt der........

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