Was darf man eigentlich von einem staatlichen Verbund aus fünfzehn Museen, zwei Forschungsinstituten, einer riesigen Bibliothek und einem Archiv erwarten? Dass er seine Bestände schützt und pflegt. Dass er sie angemessen präsentiert und in Sonderausstellungen mit Leihgaben anderer Museen zusammenbringt. Dass er seine Forschungskapazitäten nutzt, um seine Sammlungen immer wieder neu zu erschließen und sich mit Kulturin­stitutionen auf der ganzen Welt zu vernetzen. Und dass er sich eine Struktur gibt, in der dies alles nicht zufällig und gelegentlich geschieht, sondern systematisch und planvoll.

Diese Erwartungen will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz jetzt erfüllen. In einem Strategiepapier, das sie auf der Stiftungsratssitzung am gestrigen Freitag vor den politischen Vertretern des Bundes und der Länder vorgestellt hat, ist von eigenen Budgets für die einzelnen Museen die Rede, von Museumsteams, in denen die Servicemitarbeiter der Stiftung an deren Standorten zusammengeführt werden sollen, von „Wirkungsfeldern“, „Fokusthemen“ und „Diskursorten“, mit denen die Stärken der Preußenstiftung stärker zur Geltung gebracht werden sollen. Das Ganze trägt den Titel „SPK 2030“ und sieht auf Powerpoint-Folien sehr professionell aus. Nur ein wichtiges Thema fehlt in dem selbstbewusst formulierten Reformplan: das Geld.

Die größte europäische Kulturstiftung ist chronisch unterfinanziert. Im Moment liegt ihr Jahresbudget bei etwa 370 Millionen Euro; das ist nur ein Drittel von dem, was einem vergleichbaren Verbund wie der Smithsonian Institution in Washington zur Verfügung steht, und kaum mehr als das, was allein der Louvre jährlich ausgibt. Ei­ne Münchner Beratungsfirma hat den Mehrbedarf der SPK mit mindestens 66 Millionen Euro beziffert. Man kann es auch in Personal ausdrücken: der Stiftung fehlen 400 Stellen, um das zu leisten, was die Öffentlichkeit zu Recht von ihr erwartet.

Vor drei Jahren stellte der Wissenschaftsrat eine von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters beauftragte Studie vor, die die Auflösung der Preußenstiftung vorschlug. Der Plan war rasch vom Tisch, stattdessen wurde eine Reformkommission des Bundes und der Länder eingerichtet. Deren Beratungen mündeten vor einem Jahr in der Forderung, die Stiftung solle erst einmal ein Konzept zu ihrer eigenen Neuaufstellung erarbeiten. Dann werde man über die Finanzierung entscheiden.

Das Konzept also liegt vor. Jetzt ist die Politik am Zug. Aber aus den Reihen der Länder heißt es bloß, sie wären wohl bereit, ihre Beiträge um insgesamt drei Millionen Euro jährlich zu erhöhen; und wenn man Claudia Roth, die neue Kulturstaatsministerin, auf die SPK-Reform anspricht, hört man lediglich, das sei eine große Sache, bei der es noch viel zu besprechen gebe. Zielgerichtetes kulturpolitisches Handeln sieht anders aus.

Die Stiftung selbst hat schon angefangen, sich zu reformieren. Bis Anfang 2024 werden sechzig Stellen aus der aufgelösten Generaldirektion der Staatlichen Museen auf die einzelnen Häuser aufgeteilt und deren Zuständigkeiten bei Budget und Personal neu geregelt. Damit der Reformprozess zum Erfolg führe, müssten aber mindestens weitere sechzig Planstellen geschaffen werden, heißt es von Stiftungspräsident Parzinger und den Mu­se­ums­di­rek­to­ren. Nur so könnten die Einrichtungen dazu ermächtigt werden, selbständiger zu han­deln und zugleich ihre Ausstellungen, Veranstaltungen und Forschungsprojekte besser zu koordinieren als bisher.

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Sechzig Planstellen, dazu die üblichen Kostensteigerungen bei Personal- und Unterhaltskosten: Es sind keine Riesensummen, die hier zur Debatte stehen. Vielmehr geht es um eine Richtungsentscheidung: Ist die Politik auch in Zeiten knapper Mittel imstande, die größte deutsche Kulturinstitution in ihrer Modernisierung zu unterstützen? Der Bund trägt, nach einem Proporz, der seit 1995 unverändert ist, 85 Prozent des Stiftungshaushalts. Er könnte zu den drei Millionen der Länder weitere 17 Millionen geben – und zugleich das Verfahren für ein neues Stiftungsgesetz vorantreiben, das die Finanzierung gänzlich neu regeln würde. Das ist kein gewaltiges Projekt, sondern eine der alltäglichen Aufgaben des Ressorts, das Claudia Roth verwaltet. Man nennt es Kulturpolitik.

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Wer reformieren will, muss zahlen

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08.12.2023

Was darf man eigentlich von einem staatlichen Verbund aus fünfzehn Museen, zwei Forschungsinstituten, einer riesigen Bibliothek und einem Archiv erwarten? Dass er seine Bestände schützt und pflegt. Dass er sie angemessen präsentiert und in Sonderausstellungen mit Leihgaben anderer Museen zusammenbringt. Dass er seine Forschungskapazitäten nutzt, um seine Sammlungen immer wieder neu zu erschließen und sich mit Kulturin­stitutionen auf der ganzen Welt zu vernetzen. Und dass er sich eine Struktur gibt, in der dies alles nicht zufällig und gelegentlich geschieht, sondern systematisch und planvoll.

Diese Erwartungen will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz jetzt erfüllen. In einem Strategiepapier, das sie auf der Stiftungsratssitzung am gestrigen Freitag vor den politischen Vertretern des Bundes und der Länder vorgestellt hat, ist von eigenen Budgets für die einzelnen Museen die Rede, von Museumsteams, in denen die Servicemitarbeiter der Stiftung an deren Standorten zusammengeführt werden sollen, von „Wirkungsfeldern“, „Fokusthemen“ und „Diskursorten“, mit denen die Stärken der Preußenstiftung stärker zur........

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